Ursprünglich stand auf der Tagesordnung des Bundestags am Freitag die Wahl der Verfassungsrichter. Noch am Montag erhielten alle drei Kandidaten die nötige Zweidrittelmehrheit und wurden somit für die geplante Wahl am Freitagvormittag bestätigt. Doch innerhalb der Union gab es wachsende Vorbehalte gegen die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf, insbesondere wegen ihrer Haltung zum Thema Abtreibung. Nach kurzfristig aufgekommenen Plagiatsvorwürfen gegen ihre Doktorarbeit wurde der Tagesordnungspunkt schließlich vollständig gestrichen.
CDU stellt Ultimatum in Sonderfraktionssitzung
Trotz der scharfen Kritik katholischer Bischöfe und Organisationen erklärte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zunächst, dass er die Wahl von Brosius-Gersdorf vor seinem Gewissen vertreten könne. Innerhalb der Fraktion regte sich jedoch erheblicher Widerstand gegen die Kandidatin – vor allem wegen ihrer liberalen Positionierung zur Abtreibungsdebatte. Ihre zustimmende Haltung zur Legalisierung von Abtreibungen innerhalb der ersten zwölf Wochen stand im Gegensatz zum Wahlprogramm der CDU, das an der Beibehaltung des Paragrafen 218 festhält.
In einer kurzfristig einberufenen Sonderfraktionssitzung am Freitagmorgen stellte die Unionsfraktion der SPD ein Ultimatum. Sollte die geplante Abstimmung über Frauke Brosius-Gersdorf nicht von der Tagesordnung genommen werden, werde sich die Union bei der Wahl enthalten. Zur Begründung verwiesen Bundeskanzler Friedrich Merz und Unionsfraktionschef Jens Spahn auf die Plagiatsvorwürfe gegen die Juristin, die es zunächst zu klären gelte.
Noch in einer vorausgegangenen Sitzung des Parlamentskreises Mittelstand (PKM), dem rund zwei Drittel der Unionsabgeordneten angehören, hatte Fraktionschef Jens Spahn für den mit der SPD ausgehandelten Kompromiss geworben. Dieser sah unter anderem vor, dass Brosius-Gersdorf nicht Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts werden sollte. Doch als sich in der PKM-Runde deutlicher Widerstand gegen die Kandidatin abzeichnete, habe Bundeskanzler Friedrich Merz entschieden, mit der SPD in Kontakt zu treten. Im Anschluss an die morgendliche Sitzung informierte der Bundeskanzler demnach Vizekanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil telefonisch. CDU-Fraktionschef Jens Spahn sprach unterdessen mit dem Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten, Matthias Miersch.
Wahl der Verfassungsrichter wegen Plagiatsvorwürfe gegen umstrittene Kandidatin aufgeschoben
Kurz vor der angesetzten Wahl wurden Plagiatsvorwürfe gegen Frauke Brosius-Gersdorf öffentlich. Der österreichische Plagiatsprüfer Stefan Weber erhebt den Vorwurf, Brosius-Gersdorf habe in ihrer Dissertation 23 Textübereinstimmungen mit der Habilitationsschrift ihres Ehemannes Hubertus Gersdorf. Dabei dokumentierte Weber „Verdachtsstellen auf Collusion und Quellenplagiate“ zwischen beiden Arbeiten. Unter anderem seien auch identische Zitierfehler in den beiden Schriften aufgefallen. Da Brosius-Gersdorf ihre Dissertation vor der Habilitationsschrift ihres Ehemannes eingereicht hat, könnte sich der Plagiatsverdacht auch umkehren. Möglicherweise müsste eher Hubertus Gersdorf mit Vorwürfen rechnen, nicht jedoch sie. Wie Stefan Weber dem Tagesspiegel gegenüber erklärte, lasse sich aus einschlägigen Publikationen ableiten, dass beide Arbeiten etwa zeitgleich entstanden seien. Daher bestehe die Möglichkeit, dass das Ehepaar gemeinsam an den Texten gearbeitet habe. Eine solche Zusammenarbeit hätte jedoch im Vorwort deklariert werden müssen – was nicht geschehen ist.
Unterdessen forderte der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch den Rückzug der Kandidatin. Er begründete seine Forderung mit der Aussage, dass zu den bisherigen Kritikpunkten in der Abtreibungsdebatte nun „auch noch Zweifel an ihrer akademischen Redlichkeit“ hinzukämen. Er kritisierte die SPD: „Jetzt reicht es. Die SPD sollte die Kandidatur von Frau Brosius-Gersdorf endlich zurückziehen und damit weiteren Schaden vom Verfassungsgericht abwenden.“
Wahnsinn… habe es eben nicht glauben können. Das wird ja wirklich immer schlimmer.