Aufgrund seines Aufenthalts in der Gemelli-Klinik fiel auch in dieser Woche die übliche Generalaudienz am Mittwoch aus. Stattdessen gab der Vatikan einen Text heraus, der die für die Audienz vorgesehene Betrachtung enthielt. Dabei ging es um die im Johannesevangelium beschriebene nächtliche Begegnung Jesu mit Nikodemus. Die Erzählung trage eine universelle Botschaft mit sich, verdeutlichte der Papst: den Mut zur Veränderung und die Hoffnung auf einen Neuanfang. Den Mut, aus der Dunkelheit herauszutreten und Christus zu folgen, habe Nikodemus gefunden, hieß es zu Beginn des Schreibens.
Die Nacht als Symbol für innere Dunkelheit
Nikodemus, ein angesehener Pharisäer und Lehrer Israels, suchte Jesus in der Nacht auf. Für Papst Franziskus ist der nächtliche Besuch als Symbol für die Dunkelheit zu verstehen, die Nikodemus in seinem Inneren erlebte – ein Ausdruck von Zweifeln, Unsicherheit und der Suche nach der Wahrheit. Dabei hob der Pontifex hervor, dass auch wir häufig mit einer ähnlichen inneren Dunkelheit konfrontiert sind. Wir sind wie Nikodemus in dieser Nacht, „wenn wir nicht mehr verstehen, was in unserem Leben geschieht“, oder wenn wir unseren Weg nicht mehr klar erkennen.
In diesem Moment der Dunkelheit und Unklarheit sucht Nikodemus nach dem Licht – Jesus Christus, dem wahren Lehrer. Um dies zu belegen, zitiert der Papst die Worte aus dem Johannesevangelium: „Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt“ (Joh 1,9). Franziskus erklärte in seinem Text, dass Jesus Nikodemus auffordert, „von oben her neu geboren zu werden“. Dies erfordert eine tiefgreifende Erneuerung – eine Wandlung des Herzens und des Geistes, die nur durch die Kraft des Heiligen Geistes vollzogen werden kann.
Wie auch wir in unserem Leben vor verschiedenen Gabelungen stehen, erkennt der Papst auch in Nikodemus einen Menschen, der in seinem Leben an einem Wendepunkt steht. Trotz der gefestigten gesellschaftlichen Stellung spürte Nikodemus, dass seine bisherigen Überzeugungen nicht mehr ausreichten, erklärte der Papst. „Er fühlt, dass etwas nicht mehr funktioniert“, so der Papst. Nikodemus spürte, dass eine Veränderung notwendig war, doch „er wusste nicht, wo er ansetzen sollte“. Viele von uns kennen eine solche Situation. Oftmals erleben wir einen Wunsch nach Veränderung, der von Angst begleitet wird, verdeutlichte Franziskus. Wir riskieren innerlich zu sterben, wenn wir uns an „unsere Gewohnheiten klammern und uns der Veränderung verweigern“, warnte der Heilige Vater. Zugleich erklärte er, dass die wahre Lebendigkeit darin bestehe, den Mut zu haben, sich zu verändern – zu einem neuen Leben in der Liebe Christi.
Begegnung Jesu mit Nikodemus: Der Schritt ins Licht
Die Geschichte endet nicht mit der nächtlichen Begegnung Jesu mit Nikodemus, erklärt Franziskus und zeigt die entscheidende Wendung auf. Denn nach der Kreuzigung Jesu gab sich Nikodemus offen als Anhänger zu erkennen. Gemeinsam mit Josef von Arimathäa bringt er wohlriechende Salben und bittet Pilatus um den Leichnam Jesu (Joh 19,39). Hier hatte Nikodemus die Dunkelheit endgültig hinter sich gelassen, so Franziskus. „Er hat das Licht gefunden und braucht die Nacht nicht mehr.“
Diese Entwicklung stellt eine Ermutigung für jeden Gläubigen dar. Obwohl Veränderung häufig mit Angst einhergeht, gibt uns der Glaube an Christus die Kraft, diesen Weg zu beschreiten. Franziskus erinnert an die alttestamentliche Geschichte der Israeliten in der Wüste, die vor den giftigen Schlangen erschraken. Erst als sie ihren Blick auf die bronzene Schlange richteten, die Mose aufgestellt hatte, erfuhren sie Heilung. „Auch wir müssen unsere Ängste ansehen und sie durch Christus überwinden“, betonte Franziskus.
Für ihn ist das Heilige Jahr eine Gelegenheit, sich selbst zu wandeln, spirituell zu erneuern, alte Muster zu überdenken und in Christus neues Leben zu finden.
„Schauen wir auf den Gekreuzigten, auf den, der den Tod besiegt hat“, appellierte Franziskus. „Lassen wir uns von ihm begegnen – denn in ihm finden wir die Hoffnung, unser Leben zu verändern und neu geboren zu werden“, ermutigte der Papst.