Es ist Heiliges Jahr. Ein neuer Papst zieht die Massen an. Pilger, Gläubige, Neugierige – sie alle strömen nach Rom. Die Straßen sind voll, die Plätze überlaufen, auch die Kirchen bis auf den letzten Platz gefüllt. Wer durch die Stadt geht, sieht überall Menschen mit Kameras, Handys und Selfiesticks. Was sie suchen, ist vor allem: das perfekte Bild.
Kirchen als Kulisse
„Der HERR aber wohnt in seinem heiligen Tempel. Alle Welt schweige in seiner Gegenwart.“ (Hab 2,20)
Auch in den Gotteshäusern herrscht Betriebsamkeit. Sobald sich die schwere Kirchentür öffnet, wird automatisch das Handy aktiviert. Nicht das Kreuzzeichen ist die erste Geste. Meistens ist es der Griff zur Kamera. Den Eintritt prägt der Wille zur Selbstdokumentation.
Vielleicht mag man einwenden, das sei doch harmlos. Was da geschieht, ist aber eine geistliche Verwüstung. Statt den Blick auf den Tabernakel zu richten, sind alle Augen auf das eigene Display fixiert. Statt Gebet: Posen. Statt Stille: Klickgeräusche. Wer sich wirklich zum Lobpreis, zum Rosenkranz oder zur Eucharistie versammelt hat, wird übersehen, überlaufen, und gestört.
Der Raum gehört nicht dem Ich
„Ist denn dieses Haus, über dem mein Name ausgerufen ist, in euren Augen eine Räuberhöhle geworden?“ (Jer 7,11)
Kirchenräume gehören Gott. Sie sind nicht öffentlich im Sinne von beliebig. Wer sie betritt, steht nicht im Mittelpunkt. Oder besser: sollte zurücktreten. Doch genau das geschieht nicht mehr. Das Smartphone lässt niemanden mehr los. Jeder will zeigen, dass er da war. Aber ist nicht das Ziel des Pilgerns: das Gebet?
„Ich war in St. Peter.“ „Ich war vor dem Papstaltar.“ Ja, du warst da – aber warst du anwesend? Hast du geschaut? Hast du gehört? Oder hast du nur fotografiert? Was bringt es, vor dem Altar zu stehen, wenn man die Gegenwart Gottes nicht wahrnimmt? Was bringt es, eine Basilika zu betreten, wenn man nur sich selbst sieht? Die Kirche ist kein Ort für Selbstdarstellung.
Das Bild als leeres Zeugnis
„Ich habe jetzt dieses Haus erwählt und geheiligt, damit mein Name ewig hier sei. Meine Augen und mein Herz werden allezeit hier weilen.“ (2. Chr 7,16)
Und am Ende – was bleibt? Die meisten Fotos werden nie wieder angeschaut. Sie liegen in Ordnern mit Tausenden anderen Bildern, werden kurz angeklickt, durchgewischt, vielleicht hochgeladen – und verschwinden im digitalen Raum. Kein Gebet bleibt zurück. Nur der Nachweis: Ich war da. Wie ein Kind, das ruft: „Guck mal!“ – ohne je zu fragen, was es da eigentlich sieht.
Das Smartphone macht die Kirche laut – und den Menschen taub. Wer sich nur mit sich selbst beschäftigt, nimmt das Heilige nicht wahr. Wer die Gegenwart Gottes mit einem Foto überdeckt, verpasst sie. Es ist ein Missbrauch des heiligen Raumes, wenn er nur zur Bühne für das eigene Ego wird.
Kirchen sind gebaut für das Heilige. Für das, was größer ist als man selbst. Wer eintritt, wird leer für das, was man durch das Heilige empfängt. Und nur wer leer wird, kann empfangen und erfüllt werden. Erfüllt durch Gott!
Aufmerksamkeit als Haltung
„Mein Haus soll ein Haus des Gebetes für alle Völker genannt werden? Ihr aber habt daraus eine Räuberhöhle gemacht.“ (Mk 11,17)
Ein Foto als Erinnerung – verständlich. Doch wenn der Wunsch zu dokumentieren größer wird als die Ehrfurcht, wird das Heilige beschädigt. Wer eine Kirche betritt, sollte zu mindestens Respekt zeigen. Heilige Räume dienen dem Gebet, der Eucharistie, der Sammlung. Und Gott hat Vorrang. Wer das vergisst, macht sich selbst zum Maß und entweiht, was Gott gehört.