StartWeltKritik an medialer Darstellung nach Glattauers assistiertem Suizid

Kritik an medialer Darstellung nach Glattauers assistiertem Suizid

Nach dem öffentlich angekündigten assistierten Suizid des Autors und Lehrers Nikolaus „Niki“ Glattauer zeigen sich Kirchenvertreter, Ethiker und Palliativmediziner besorgt über die öffentliche Darstellung in den Medien. Sie warnen vor einer Verschiebung gesellschaftlicher Werte und beklagen eine mediale Grenzüberschreitung. Besonders kritisch sehen sie dabei die Darstellung des Suizids als vermeintlich einzigen Weg zu einem würdevollen Lebensende. Innsbrucks Bischof Hermann Glettler erklärte gegenüber Kathpress, der öffentliche Zugang zur persönlichen Entscheidung einer bekannten Persönlichkeit habe in ihm „großes Unbehagen ausgelöst“. Zudem kritisiert er die implizite Abwertung medizinischer und pflegerischer Einrichtungen.

Ethiker und Theologen kritisieren mediale Darstellung von Niki Glattauers assistiertem Suizid

Seit 2022 ist die „Mitwirkung an der Selbsttötung“ unter bestimmten Voraussetzungen in Österreich legal. Darauf verwies auch der Publizist und Autor Nikolaus Glattauer in einem Interview, das er vor seinem Tod selbst wünschte. In diesem kündigte er seinen assistierten Suizid öffentlich an. Der 66-Jährige, der unheilbar an Gallengangkrebs erkrankt war, erklärte, durch einen Kollegen von dieser Möglichkeit in Österreich erfahren zu haben. Zunächst habe er dafür eine Reise in die Schweiz geplant.

Nach der Veröffentlichung des Interviews kritisieren Theologen, Ethiker und Palliativ-Expertinnen den medialen Umgang mit dem Thema. Für den Wiener Medizinethiker und evangelischen Theologen Ulrich Körtner ist die Veröffentlichung des Interviews zwei Tage vor Glattauers Tod „hochproblematisch“. Seine Kritik richtet sich insbesondere gegen die Art der Darstellung, die sich – trotz beigefügter Hinweise auf Hilfsangebote für Suizidgefährdete – „wie eine Werbung für den assistierten Suizid“ lese, sagte er der Kleinen Zeitung.

Fatal sei zudem die implizierte Botschaft, dass ein Sterben in Würde nur durch Suizid möglich sei. Weder ambulante noch stationäre Palliativangebote würden erwähnt, stattdessen werde die Forderung nach mehr Ärzten laut, die bereit seien, assistierte Suizide zu begleiten, so Körtner.

Auch der Grazer Ethiker Johann Platzer äußerte sich kritisch und warnte vor einer möglichen Nachahmungswirkung, wenn Suizid öffentlich als nachvollziehbare oder gar naheliegende Entscheidung dargestellt werde. Eine solidarische Gesellschaft müsse vielmehr darauf bedacht sein, leidenden Menschen Perspektiven und Unterstützung zum Weiterleben anzubieten.

Bischof Glettler warnt vor medialer Grenzüberschreitung und fordert Ausbau der Palliativbetreuung

Bischof Glettler betonte in seiner Stellungnahme nach dem assistierten Suizid Glattauers, dass die persönliche Entscheidung eines Prominenten öffentlich gemacht worden sei. Bei ihm selbst habe die Berichterstattung „ganz großes Unbehagen“ ausgelöst. „Ich hätte der sympathischen Person gerne gesagt: Bitte mach es nicht! Es gibt so viele Menschen, die dich schätzen“, erklärte der Innsbrucker Bischof, der innerhalb der Österreichischen Bischofskonferenz als Referatsbischof für Lebensschutz fungiert. Wenn das Sterben öffentlich zur Schau gestellt werde, bleibe Betroffenheit nicht aus – ebenso aber die Frage, wo mediale Grenzüberschreitungen beginnen.

Auch die Grazer Palliativmedizinerin Desirée Amschl-Strablegg äußerte Kritik an der Botschaft des veröffentlichten Interviews. Besonders der Titel „Ich will in Würde sterben“ sei problematisch, da er suggeriere, dass nur der assistierte Suizid ein würdevolles Lebensende ermögliche. Diese Darstellung lasse andere Wege des Sterbens unberücksichtigt und stelle die Arbeit von Hospizen, Palliativstationen und pflegerischen Einrichtungen in ein falsches Licht.

In diesem Zusammenhang betonte auch Bischof Glettler die Bedeutung menschlicher Nähe und Verbundenheit – gerade in der letzten Lebensphase und bei schweren Erkrankungen.

Auch Amschl-Strablegg unterstrich diesen Aspekt: Aus ihrer langjährigen Erfahrung in der Hospiz- und Palliativversorgung wisse sie, dass man Menschen durch „dieses finstere Tal“ begleiten könne. „Oft kommen dabei Dinge zur Sprache, die vorher kein Thema waren – und das Leben bekommt angesichts des Todes eine neue, andere Qualität“, so die Medizinerin.

Bischof Glettler hob zudem hervor, dass die Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich grundsätzlich gut zugänglich sei und ein würdevolles Lebensende ermögliche. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass es ein „Gebot der Stunde“ sei, das Angebot in diesem Bereich weiter auszubauen. Darüber hinaus erinnerte er an bestehende Unterstützungsangebote wie die Telefonseelsorge und die psychologische Betreuung, die Menschen in seelischen Krisen zur Seite stehen.

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