StartVaticanMissbrauchsbericht des Vatikans: Zwischen Realität und Wirklichkeit

Missbrauchsbericht des Vatikans: Zwischen Realität und Wirklichkeit

Vor wenigen Tagen wurde der Missbrauchsbericht der päpstlichen Kinderschutzkommission des Vatikan vorgestellt. Darin wird aus der eigenen Sicht der involvierten Bischöfe ein Versagen der Kirche attestiert. Der Erzbischof von Boston, Kardinal Sean O’Malley, fand für das Verhalten klare Worte. So wandte er sich an die Betroffenen und erklärte ihnen, zu wissen, dass die Missbrauchsopfer „genug von leeren Worten haben“. Diese stellten die Umsetzung der Erstellung des Pilotberichts in Frage. Denn es fehlt darin schlichtweg der Bezug und die Nähe zur Ortskirche, um die Schutzmaßnahmen gegen Missbrauch in der katholischen Kirche überprüfen zu können. Der Missbrauchsbericht resultiert aus Befragungen der zuständigen Bischofskonferenzen des Landes, die bei ihrem Besuch im Vatikan oder auf eigenen Wunsch hin befragt werden.

Entstand der Missbrauchsbericht aus Befragungen unzuverlässiger Quellen?

Der Missbrauchsbericht der päpstlichen Kinderschutzkommission beruht also auf den Angaben der 17 Bischofskonferenzen während ihres Ad-Limina-Besuchs. Doch es gibt Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser Aussagen. So kritisieren Personen, die einen Einblick in die Situation der aufgeführten Länder haben, dass die Darstellung der Bischöfe nicht mit der Realität der Ortskirchen übereinstimmt. Anne Barrett Doyle stellte fest, dass der Schwachpunkt des Berichts in den eigenen Aussagen der Bischöfe zu finden sei. So wisse man aus der Vergangenheit, dass „Bischöfe nicht immer die Wahrheit sagen“, erklärte sie. Doyle betreut ArchbishopAccountability.org, ein Archiv zu Missbrauchsfällen durch Geistliche.

Ähnlich sieht es auch der deutsche Experte für Missbrauchsschutz, Hans Zollner. So sei es fraglich, wer mit welcher Expertise und welchem Problembewusstsein die Rückmeldungen gegeben hat. Aus diesem Grund ist die Qualität des Berichts zweifelhaft. Zollner, der Direktor des Safeguarding Instituts an der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, fordert daher eine Untersuchung durch lokale unabhängige Experten.

Mehr Transparenz im Anti-Missbrauchsbericht gefordert

Der Plan der päpstlichen Kinderschutzkommission ist es, auf Grundlage der Befragungen mit fünf oder sechs Jahresberichten ein umfassendes Bild über die Schutzmaßnahmen der Kirche zu erstellen. Der bisherige Bericht zeige ein „klares Engagement zum Schutz“ einiger Ortskirchen. Betont wird darin aber auch, dass andere erst beginnen, Verantwortung zu übernehmen. Die päpstliche Kommission fordert mehr Transparenz für die Betroffenen sowie klare Zuständigkeiten durch strukturelle Regelungen des Vatikans in der Behandlung der Missbrauchsfälle. Weiter sollen Disziplinarverfahren schneller umgesetzt werden, und die Opfer sollen eine Entschädigung erhalten.

Neben dem Bericht der Bischofskonferenzen werden auch die Maßnahmen in der Hilfsorganisation Caritas sowie zweier Ordensgemeinschaften untersucht. Zollner bemängelt, dass viele geistliche Gemeinschaften in den Ländern zwar eine große Rolle spielen, aber ebenso wenig wie katholische Schulen, Internate und Universitäten erwähnt werden. Weiter stellt er fest, dass die Frage des Safeguardings bei Erwachsenen in „Situationen der Vulnerabilität“ sowie der Missbrauch von Ordensfrauen und der geistliche Missbrauch separat zu behandeln sind. Er hofft, dass die Entwicklung des Missbrauchsberichts weitergeht und die Realität angemessen widerspiegelt.

Überprüfung verschleiert die Realität

Während die US-Amerikanerin Doyle die Forderungen der päpstlichen Kinderschutzkommission befürwortet, bemerkt sie aber auch den fehlerhaften Einblick in die „Realität vor Ort“. So sei der „einzige wichtige Schutztest“ die Tatsache, „ob Bischöfe Missbrauchstäter entfernen“, erklärte sie. Das sei ihrer Ansicht nach nicht der Fall, denn es werde lediglich überprüft, ob gewisse Infrastrukturen vorhanden sind. Diese Überprüfung hat zwar „einen gewissen Wert“, aber die Realität anhaltender sexueller Übergriffe und Vertuschung werde verschleiert, kritisiert Doyle.

Im Missbrauchsbericht heißt es dazu, dass er „nicht als Prüfung der Häufigkeit von Missbrauch im kirchlichen Kontext“ gedacht ist. Hierfür hat es an Zeit, Kapazität und in einigen Ländern an zuverlässigen Daten gefehlt. Dies sei insbesondere der Fall, wenn es darum geht, den Missbrauch an Kindern offenzulegen. Die Behandlung dieser Themen im Bericht könnte die Prüfungsfunktion der Kommission umfassender erfüllen.

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