Die Initiative Neuer Anfang hat sich in einem offenen Brief mit „Bestürzung und Sorge“ über die Haltung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, zur Richterkandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, geäußert. Die Juristin, die von der SPD vorgeschlagen und zunächst auch von der Union unterstützt wurde, sprach sich in der Vergangenheit für eine Aufweichung des umfassenden Lebensschutzes aus. Während sich nur wenige katholische Bischöfe öffentlich gegen die Wahl der Juristin aussprachen, stellte sich der Vorsitzende der Bischofskonferenz demonstrativ hinter die Rechtswissenschaftlerin.
Rückendeckung statt Widerspruch
Die Wahl der Bundesverfassungsrichterin, ursprünglich für den 11. Juli vorgesehen, wurde kurzfristig vertagt. Besonders aus den Reihen der CDU/CSU mehrten sich die Stimmen gegen Brosius-Gersdorf, vor allem wegen ihrer Haltung zum Lebensschutz. Bei einer Anhörung im Bundestag erklärte die Juristin: „Meines Erachtens gibt es gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt.“
Für diese Aussage erntete Brosius-Gersdorf vor allem von Lebensschutzorganisationen scharfe Kritik. Auch aus der katholischen Kirche kam vereinzelt Widerspruch: Der Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki, der Aachener Bischof Helmut Dieser, der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl sowie – in einer gemeinsamen Erklärung – die Bischöfe Stefan Oster SDB (Passau) und Rudolf Voderholzer (Regensburg) äußerten sich öffentlich ablehnend gegenüber der Kandidatin.
Im Gegensatz dazu stellte sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, hinter die Juristin. Er erklärte, es handle sich um eine Personalfrage, und daher sei es „nicht gut, dass wir uns als Bischöfe persönlich dazu positionieren“. In einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen sagte er, Brosius-Gersdorf habe es „nicht verdient, so beschädigt zu werden“.
Neuer Anfang: Kirche in der Pflicht, die „ethischen Grundlagen des Gemeinwesens“ zu verteidigen
Die Initiative Neuer Anfang reagierte mit einem offenen Brief an den DBK-Vorsitzenden. Die Zurückhaltung Bätzings sei, so heißt es dort, eine „schwere Verletzung Ihrer Amtspflichten“ – gerade als „sakramental ermächtigter und gesendeter öffentlicher Zeuge des Evangeliums“.
„Wo es um die unantastbare Würde aller Menschen geht, ragt eine vorpositive Norm in die positive Rechtsetzung der Verfassung unseres Landes hinein“, heißt es weiter. Deshalb betreffe die Diskussion nicht allein die Politik. „Wer anders ist in der Pflicht, die ethischen Grundlagen unseres Gemeinwesens zu verteidigen, als die Kirche?“ Die Kirche habe die Kraft, sich „dauernd, hörbar und mit Argumenten in den Diskurs einzuschalten“.
Gleichzeitig räumte Neuer Anfang ein, dass Brosius-Gersdorf mitunter auf unfaire Weise angegriffen worden sei – was zu missbilligen sei. Dennoch müsse über die von ihr vertretene Position eine offene Auseinandersetzung möglich sein: „Wo die unbedingte Geltung der Menschenwürde für alle Menschen in allen Stadien ihres Lebens strittig wird, muss gestritten werden.“
Gerade wenn das höchste deutsche Gericht in die Gefahr gerät, politisch instrumentalisiert zu werden, sei ein Blick in die deutsche Geschichte vor 1945 unerlässlich. Daran hätten auch Bätzings bischöfliche Mitbrüder erinnert, als sie erklärten: „Es darf in Deutschland nie wieder Menschen zweiter Klasse geben!“