Bei der Generalaudienz am Mittwoch auf dem Petersplatz hat Papst Leo XIV. eine eindringliche Botschaft über menschliche Bedürftigkeit und göttliche Liebe vermittelt. Ausgehend von Jesu Worten „Mich dürstet“ am Kreuz – das „nicht nur das physiologische Bedürfnis eines gefolterten Körpers“ sei –, betonte der Pontifex, dass wahre Erfüllung nicht aus Selbstgenügsamkeit, sondern aus der Fähigkeit erwachse, sich lieben und helfen zu lassen. In einer Welt, die Leistung und Unabhängigkeit preise, erinnere das Evangelium daran, dass Schwäche keine Schande, sondern ein Weg zur Erlösung sein könne.
Erlösung geschieht nicht durch Stärke, sondern durch Bedürftigkeit
Papst Leo nahm in seiner Ansprache auf dem Petersplatz die letzten Worte Jesu am Kreuz zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen. Der Moment, in dem Christus die Worte „Mich dürstet“ (Joh 19,28) und kurz darauf „Es ist vollbracht“ (Joh 19,30) sprach, sei – so der Papst – zugleich der tiefste Moment seines Leidens und der Höhepunkt seiner Sendung gewesen: ein Augenblick größter Dunkelheit und zugleich größter Erfüllung.
Jesus offenbare am Kreuz „seine Menschlichkeit und auch unsere“. Keiner von uns sei autark, und niemand könne sich selbst retten, so Leo. „Das Leben ist nicht dann ‚erfüllt‘, wenn wir stark sind, sondern wenn wir lernen, zu empfangen“, hob der Pontifex hervor.
Dann erklärte er, dass Jesus, nachdem er aus fremden Händen einen mit Essig getränkten Schwamm bekommen hatte, verkündete, dass es vollbracht sei. „Die Liebe hat sich bedürftig gemacht, und genau aus diesem Grund hat sie ihr Werk vollbracht.“
Das sei das christliche Paradox, das darin bestehe, dass Gott nicht durch Handeln rette, sondern indem er an sich handeln lasse. Es sei nicht der Sieg über das Böse durch Gewalt, sondern durch die Schwäche der Liebe bis zum Äußersten. „Am Kreuz lehrt uns Jesus, dass der Mensch sich nicht in Macht verwirklicht, sondern in vertrauensvoller Offenheit gegenüber anderen – selbst wenn diese feindselig sind und ihm feindlich gesinnt“, unterstrich der Papst.
Durst – kein Zeichen der Schwäche, sondern der Wahrheit
Papst Leo betonte, dass wahre Erlösung nicht in Unabhängigkeit liege, sondern in der demütigen Anerkennung der eigenen Bedürftigkeit und der Fähigkeit, diese offen auszusprechen. Selbst der Sohn Gottes habe sich nicht für einen autarken Weg entschieden – dann ist auch unser Durst nach Liebe, Sinn und Gerechtigkeit kein Ausdruck von Schwäche, sondern der Wahrheit. Auch wenn diese Wahrheit einfach erscheinen mag, sei sie dennoch schwer zu akzeptieren, erkannte Leo.
„Wir leben in einer Zeit, in der Selbstständigkeit, Effizienz und Leistung belohnt werden“, dennoch zeige das Evangelium, „dass das Maß unserer Menschlichkeit nicht daran gemessen wird, was wir erreichen können, sondern an unserer Fähigkeit, uns lieben zu lassen und, wenn nötig, sogar helfen zu lassen.“
Wahre Vergebung, so der Papst, werde möglich, wenn der Mensch den Mut finde, seine eigene Not ohne Angst vor Ablehnung anzunehmen. Der Durst Jesu am Kreuz sei nicht nur ein persönliches Leiden, sondern spiegle auch den tiefen Wunsch der gesamten Menschheit wider: die Sehnsucht nach Leben, nach Liebe, nach Sinn. Dieser Durst entferne uns nicht von Gott, sondern führe uns zu ihm hin. Wer ihn anerkenne, könne erkennen, dass selbst die eigene Schwäche eine Verbindung zu Gott sein könne.
Seine Betrachtung schloss der Papst mit einem Appell an die Gläubigen:
„Liebe Brüder und Schwestern, im Durst Christi können wir unseren ganzen eigenen Durst erkennen und lernen, dass es nichts Menschlicheres, nichts Göttlicheres gibt, als sagen zu können: Ich brauche.“