Gerade einmal 1,5 Prozent der Bevölkerung im Heiligen Land sind Christen, und dennoch ist der lateinische Patriarch von Jerusalem, Pierbattista Kardinal Pizzaballa, davon überzeugt, dass diese Minderheit für die Zukunft entscheidend ist. Denn in der Minderheit steckt die Möglichkeit, „alle Menschen zu erreichen“, sagte er gegenüber „Kirche in Not“ bei seinem Besuch in Königstein im Taunus. Vor dem Hintergrund der Waffenruhe hält der lateinische Patriarch von Jerusalem auch ein baldiges Kriegsende im Gazastreifen für möglich. Er hat den Eindruck, „dass es in den kommenden Wochen oder Monaten einen Kompromiss geben wird“, und ist zuversichtlich. Eine der größten Aufgaben sei es jetzt, die Menschen wieder zusammenzuführen, blickt Pizzaballa auf die bevorstehenden Herausforderungen.
Herausforderungen im Heiligen Land
Zu Beginn des Krieges sei es besonders schwer gewesen, die christlichen Gemeinschaften zusammenzuhalten, erklärte der lateinische Patriarch. Zu großen Teilen besteht diese christliche Gemeinschaft aus arabischsprachigen Christen, aber auch aus kleinen hebräischen Gemeinden. „Während in diesem Krieg alle darum kämpfen, zu spalten, kämpfen wir darum, geeint zu bleiben“, fügte er hinzu. Doch ein baldiges Kriegsende bedeute nicht das Ende des Konflikts, warnt Pizzaballa. Er ist überzeugt, dass die Grenze zu Israel geschlossen bleibt. Zudem sei mit einer Wiederaufbauzeit von mehreren Jahren zu rechnen, sagte der Patriarch. Der Krieg, insbesondere der grausame Terrorakt vom 7. Oktober 2023, habe die Menschen schwer getroffen. In der Folge wurde fast allen in Israel arbeitenden Christen aus dem Westjordanland die Arbeitserlaubnis entzogen. Ein weiteres Problem hatte der Tourismussektor zu verzeichnen, da aufgrund der ausbleibenden Pilger viele Arbeitsplätze weggefallen sind.
Mit großer Dankbarkeit richtet sich Pizzaballa an das katholische Hilfswerk „Kirche in Not“. Die Organisation finanziert unter anderem Lebensmittel, Medikamente und hilft mittellosen Familien und Migranten. Zudem bietet das Hilfswerk Umschulungsmöglichkeiten für Arbeitssuchende an. Mit Blick auf die Bildung sieht er die Kirche in der Pflicht, Schulen so schnell wie möglich wieder in Betrieb zu nehmen.
Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende
Durch die bestehende Waffenruhe rückt ein baldiges Kriegsende näher. „Der Höhepunkt des Krieges liegt hinter uns. Ich habe den Eindruck, dass es in den kommenden Wochen oder Monaten einen Kompromiss geben wird“, sagte Kardinal Pizzaballa. Dennoch seien im Heiligen Land Hassrede, Misstrauen und abwertende Sprache nach wie vor vorhanden. Nach dem Kriegsende sei es möglich, die Infrastruktur wieder aufzubauen. „Aber wie können wir die Beziehungen wiederherstellen?“, blickt er auf die Zerrissenheit in der Bevölkerung.
Trotz der Gewalt und der Herausforderungen hat er „noch Hoffnung“ für das Heilige Land. Doch diese Hoffnung sei nicht mit einer politischen Lösung zu verwechseln. „Es gibt leider keine kurzfristige Lösung. Ich würde mich gern irren, aber ich fürchte, das ist nicht der Fall“, so Pizzaballa. Überall im Land begegne er „wundervollen Menschen“. Wir können vielleicht die Politik nicht verändern, „aber wir können dort etwas ändern, wo wir sind. Das gibt mir Hoffnung.“