Einen Haken setzte nun die Bundesregierung hinter eine Angelegenheit, die bereits im Jahr 2021 im Koalitionsvertrag festgelegt wurde. Hierbei handelt es sich um die Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, um schwangere Frauen vor Abtreibungsgegnern zu schützen. Konkret möchte die Bundesregierung in ihrem Gesetzesentwurf eine Bannmeile, also eine „Schutzzone“ mit einem Radius von 100 Metern rund um Arztpraxen und Beratungsstellen zum Schwangerschaftsabbruch einrichten. Bei einem Verstoß gegen diese Verbote droht den Personen ein Bußgeld von bis zu 5000 Euro. Der Bundestag beschloss diese Maßnahme zum Schutz des Klinikpersonals sowie der Patienten, denn gerade Schwangere träfe das häufig in einer ohnehin schon bestehenden besonderen psychischen und physischen Belastungssituation.
Letztverantwortung der Frauen muss sichergestellt werden
Schwangere Frauen sollen vor Beratungsstellen zum Schwangerschaftsabbruch effektiver gegen sogenannte „Gehsteigbelästigungen“ durch Abtreibungsgegner geschützt werden. Mit dieser Reform geht es der Regierung vor allem darum, die „Rechte der Schwangeren sowie das Schutz- und Beratungskonzept in seiner Gesamtheit“ zu stärken. Laut der Bundesregierung sollen vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen sowie vor Einrichtungen, die Abbrüche durchführen, mit zunehmender Häufigkeit Protestaktionen von Lebensschützern stattfinden. Dabei würden sowohl das Klinikfachpersonal als auch die Schwangeren gezielt gegen ihren Willen angesprochen, um ihnen etwa eine andere Meinung zum Thema Abtreibung aufzudrängen. Darüber hinaus würden die Frauen mit unwahren oder verstörenden Inhalten konfrontiert werden, die beratungsbeeinträchtigend sind.
Solche Verhaltensweisen, die nicht auf einem einvernehmlichen Austausch abzielen, darf es aus Sicht der Bundesregierung nicht geben. Gerade deshalb sei es so wichtig, die Letztverantwortung der Frauen in dieser höchstpersönlichen Angelegenheit sicherzustellen. Zum anderen gehe es selbstverständlich auch darum, dass das Fachpersonal in Ruhe seine Arbeit ausüben kann.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte zusammen mit dem Justiz- und Innenministerium einen Gesetzesentwurf erarbeiten lassen, dem bei der Abstimmung auch „die Linken“ zustimmten. SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast sprach im Bundestag davon, dass „Gehsteigbelästigungen“ seit Jahren überall auftreten und diese nicht durch das bestehende Ordnungsrecht gelöst werden können. „Es gibt nur eine einzige Seite, auf die man sich in diesem Konflikt stellen kann – und das ist die Seite der betroffenen Frauen“, so die SPD-Politikerin.
Bannmeile ist „unverhältnismäßig“
Für die CDU-Abgeordnete Bettina Margarethe Wiesmann steht die Bannmeile nicht im Verhältnis zum tatsächlichen Problem. Die CDU-Politikerin bestreitet die Existenz der „Gehsteigbelästigung“. „Was sie als Problem bezeichnen, das gibt es so gar nicht“, sagte Wiesmann. Die „Gehsteigbelästigung“ ist für die Abgeordnete lediglich eine Mahnwache, die jedoch mit den bestehenden Gesetzen geregelt werden kann. Vielmehr sieht sie in dem Gesetzesentwurf der Ampel-Regierung eine Verschiebung der „Koordinaten zulasten der Meinungs- und Versammlungsfreiheit.“
Beratungsstellen im Fokus der Abtreibungsgegner
Im ganzen Land gibt es immer wieder Protestaktionen von Organisationen, die sich das Schützen des Lebens zur Aufgabe gemacht haben. Gerade vor Arztpraxen, Kliniken und Beratungsstellen wie „Pro Familia“ kommt es immer wieder zu Kundgebungen und Demonstrationen. Christliche Bewegungen versuchen Schwangerschaftsabbrüche durch Mahnwachen, Gebete und Fasten zu verhindern. Eine bekannte internationale Organisation ist beispielsweise die Bewegung „40 Days for life“.
Für die abtreibungsbezogene Organisation setzen diese Aktionen die schwangeren Frauen moralisch unter Druck. Jede Frau, die einen Termin wahrnehmen will, muss an der Gruppe vorbei und ist deren Worten und Blicken ausgesetzt. Eva Rebholz von „Pro Familia Freiburg“ sieht die Frauen in ihren Entscheidungen durch die Mahnwachen beeinflusst. „Sie fühlen sich auch nicht gesehen in ihrer persönlichen Notsituation, die sie eigentlich gerne, in einer kompetenten Beratung verarbeiten würden. Zudem wollen sie nicht von irgendwelchen Menschen auf der Straße belästigt werden, die auf sie zukommen und meinen, sie müssten ihre Meinung kundtun“, begründet Rebholz ihre Ansicht.
Ampel-Koalition: Einheitliche Regelung der „Gehsteigbelästigung“ erforderlich
Freiburg kann in der sogenannten „Gehsteigbelästigung“ bereits einige Geschichten erzählen. Schon vor Jahren bekamen schwangere Frauen von Abtreibungsgegnern Plastikföten, Broschüren und Bilder aufgezwungen. Im Jahr 2011 handelte die Stadt aufgrund der zunehmenden Belästigung der Frauen, indem sie dem Verein „Lebenszentrum – Helfer für Gottes Kostbare Kinder Deutschland e. V.“ verbot, Frauen vor Beratungsstellen oder Kliniken direkt anzusprechen. In anderen Städten wurden solche Maßnahmen durch die Gerichte wieder gekippt. Die zuständigen Richter verwiesen darin auf das bestehende Recht der Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Aus diesem Grund möchte die Ampel-Koalition eine einheitliche Regelung der „Gehsteigbelästigung“ sowie eine Reform des Schwangerschaftskonfliktgesetzes.
Erst im April 2024 kam es zu einer gemeinschaftlichen Kundgebung von Abtreibungsgegnern aus Deutschland und der Schweiz. Auf den Plakaten waren Sätze wie „Abtreiben ist nicht nur Mord, sondern auch Selbstmord“ oder „Das Problem sind nicht ungewollte Kinder, sondern unwillige Eltern“ zu lesen. Singend und betend zogen sie durch die Straßen Freiburgs. Der Treffpunkt war das ehemalige Büro der „Pro Familia“ Beratungsstelle.
Abtreibung gegen das Gesetz und doch straffrei?
Schwangerschaftsabbrüche sind laut dem Paragrafen 218 des Strafgesetzbuchs verboten und werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren oder einer Geldstrafe geahndet. Dennoch bleibt diese Straftat in den meisten Fällen ungestraft. Die Unterbrechung der Schwangerschaft ist bis zur 12. Schwangerschaftswoche straffrei, sofern die Frau eine Beratung durch eine staatlich anerkannte Beratungsstelle wie „Pro Familia“ oder durch einen Arzt nachweisen kann. Die Abtreibung ist ebenfalls straffrei, wenn die Schwangerschaft infolge einer Vergewaltigung zustande gekommen ist beziehungsweise wenn die seelische oder körperliche Gesundheit der Schwangeren gefährdet ist.
In der Bundesregierung gibt es derzeit hitzige Diskussionen um eine vollständige Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Für die Expertenkommission, die von der Ampel-Koalition einberufen wurde, ist die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs in der Frühphase“ nicht tragbar. Die Ampel-Koalition möchte die Abtreibung außerhalb des Gesetzbuchs regulieren. Verboten soll der Abbruch erst sein, sobald der Fötus lebensfähig ist. Hierfür wird als Richtwert die 22. Schwangerschaftswoche nach der letzten Menstruation angegeben. Wenn die Abtreibung legalisiert wird, trägt die Krankenkasse die Kosten für solche Abbrüche. An einer Beratungspflicht vor einer Abtreibung könnte dennoch weiterhin festgehalten werden.
CSU-Fraktionsvize Dorothea Bär: „Wie bestellt, so geliefert“
In der Debatte um die Legalisierung der Abtreibung zweifelt die CSU die Unabhängigkeit der Expertenkommission an, schließlich wurde sie selbst von der „Ampel“ eingesetzt. Für Dorothea Bär ist das Ergebnis der Kommission gemäß dem Motto „Wie bestellt, so geliefert“ einzustufen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus reagiert auf die Anschuldigung und argumentiert damit, dass sie sich bewusst für eine wissenschaftliche Kommission entschieden haben. Diese würde sich den Einflüssen der Politik entziehen und die Debatte versachlichen. Die SPD-Politikerin Katja Mast warnt die Union davor, die Diskussionen zu verschärfen und zu polarisieren.
CDU-Chef Friedrich Merz erwartet einen „gesellschaftlichen Großkonflikt“ und die CSU-Fraktionsvize bekräftigt den Widerstand gegen die Liberalisierung des Abtreibungsrechts. Die familienpolitische Sprecherin der CDU hält die Einberufung des Bundesverfassungsgerichts im Falle einer Legalisierung für möglich.
Schwere Schuldvorwürfe innerhalb des Bundestags
SPD-Abgeordnete Josephine Ortleb spricht in ihrer Rede über die Entkriminalisierung der Abtreibung von „radikalen Frauenhassern“. Nach ihrer Meinung sollten Schwangerschaftsabbrüche nicht im Strafgesetzbuch verankert sein. Für Ortleb ist es von enormer Bedeutung, dass Frauen selbstbestimmt über ihren Körper entscheiden können sollten.
Die AFD schlug sich auf die Seite der CDU/CSU. Die Bestrebungen und Ideen der Bundesregierung sind laut der AFD ein Armutszeugnis für die Politik und die Gesellschaft. „Sie engagieren sich für das Töten als vermeintlich einfachste Problemlösung“, so die Obfrau der AfD-Fraktion, Nicole Höchst.
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