Erste Lesung: Weisheit 18,6-9; Antwort-Ps: 33(32), 1 u. 12.18-19.20 u.22; Zweite Lesung: Hebr 11,1-2. 8-19; Evangelium: Lk 12,32-48
Liebe Schwestern und Brüder,
in diesen Tagen wird uns von der Liturgie durch die Lesungen im Wortgottesdienst einiges an Grundlagen und Fundamenten unseres Glaubens vor Augen gehalten. Heute stellt sich die Grundfrage: Was heißt es zu glauben?
Der Brief an die Hebräer stellt uns eine Definition von Glaube vor Augen, wenn es dort heißt: „Glaube aber ist: Grundlage dessen, was man erhofft, ein Zutagetreten von Tatsachen, die man nicht sieht. Aufgrund dieses Glaubens haben die Alten ein gutes Zeugnis erhalten.“1 Das ist die biblische Definition von Glaube. Es geht nicht, wie es einige Zeitgenossen sagen, um eine Art Vermuten, um eine defizitäre Form des Wissens oder um Aberglauben. Genau das ist es nicht. Zu glauben bedeutet nicht, zu faul zum selber-Denken zu sein, wie es mir ein Schulfreund mal vorgeworfen hat. Beim Glaube, von dem die Bibel spricht, geht es mehr um eine Herausforderung für unser Leben, um darauf das Leben aufzubauen.
Wer ist das Beispiel eines Glaubenden? Das Beispiel ist Abraham. Bei ihm ist der Glaube zunächst das Vertrauen auf die schier unwahrscheinliche Verheißung Gottes an ihn, den kinderlosen Greisen, Vater von Völkern zu werden und ein verheißenes Land zu erhalten. Er verlässt seinen Save-Space, wie man es heute sagt, und geht los. Genau das meint der Hebräerbrief mit seiner Definition von Glauben. Und dieser Glaube lässt nicht nach, auch wenn es Abraham in teils schwerste Situationen bringt, wie die beinah Opferung seines einzigen Sohnes. Der Glaube lässt ihn durchhalten und bestehen. Sein Leben, wie das der anderen großen Glaubensgestalten der Bibel, erinnert mich an die großen Heldengestalten der Literatur und des Films.
Ein Bilbo Beutlin kann seine Hobbithöhle nur verlassen, weil er vertraut, weil er einen Glauben hat, dass er dieses Abenteuer bestehen kann und etwas dazu beitragen kann. Und so macht er sich auf den Weg. Und wie bei Abraham gibt es Momente, wo er am Zweifeln und Kämpfen ist. Und wie bei Jakob bleibt man bei Abenteuern nicht unverletzt. Aber der Glaube verändert ihn und lässt ihn rausgehen.
Nun bleiben wir nicht beim Herrn der Ringe oder bei Abraham stehen, sondern blicken wir auf das Neue Testament, auf den Herrn. Auch er ruft Menschen aus ihrer gewohnten Umgebung heraus und lässt sie Abenteuer erleben. Abenteuer, die sie im tiefsten Inneren verwandeln. Papst Franziskus sagte einmal in einer Audienz in Bezug auf das Herausgerufen sein: „Christus nachfolgen, ihn begleiten, bei ihm bleiben erfordert ein ,Herausgehen‘ – ein Herausgehen aus sich selbst, aus einer müden und von Gewohnheit geprägten Weise, den Glauben zu leben, aus der Versuchung, sich in den eigenen Vorstellungen zu verschließen, die am Ende den Horizont des schöpferischen Handelns Gottes verschließen.“2
Der Glaube ist kein Gegensatz zum Wissen oder seine defizitäre Form von ihm, er ist im christlichen Sinne des Wortes auch kein Aberglaube, sondern er ist ein Vertrauen auf Gott, das auch dann nicht aufhört, wenn es nach natürlicher Sichtweise keine Hoffnung mehr zu geben scheint. Er fordert uns heraus aus unserer Komfortzone und will uns zu großen Dingen antreiben. Und wir dürfen diese Herausforderungen annehmen, weil wir im Glauben wissen, dass wir nicht alleine sind, sondern im Glauben die Macht haben, Kinder Gottes zu sein. Um es mit den Worten eines Seligen zu sagen: „Glaube: Vermeidet Schwarzmalerei und fruchtloses Jammern über die religiöse Lage in euren Ländern und macht euch entschlossen an die Arbeit. Mobilisiert dabei – ich wiederhole das absichtlich – viele andere Menschen. Hoffnung: Denn Gott verliert keine Schlachten, […]. Sind die Hindernisse groß, ist auch die göttliche Gnade reichlicher. Er selbst wird die Hindernisse beseitigen und uns dabei gleichsam als Hebel benützen. Liebe: Arbeitet rechtschaffen und aufrichtig aus Liebe zu Gott und den Seelen. Habt Liebe und Geduld mit dem Nächsten und sucht neue Wege, neue Initiativen: Die Liebe schärft den Erfindergeist.“3 (Nr. 148, Hirtenbrief, 25.12.1985, Nr. 10)
Das ist der biblische Glaube, den wir in jeder Sonntagsmesse bekennen. Er führt uns vom Vertrauen auf Gott und sein Wort hin zum sich überlassen in der Hingabe. Alle großen Glaubenden sind in ihrem Glauben immer mehr gewachsen, indem sie gelernt haben, loszulassen. Letzten Sonntag haben wir gehört, wie der Herr uns in die Loslösung vom materiellen Gut ruft, um uns davon frei zu machen. Heute erinnert er uns, dass diese Loslösung ein Aspekt von der großen göttlichen Tugend des Glaubens ist, der uns auffordert, sich IHM zu überlassen.
Mit dem Vertrauen in unseren himmlischen Vater und die Fürsprache unserer Mutter Maria, dürfen wir in diese Woche starten mit viel Glauben! Amen.
1 Hebr 11,1
2 Papst Franziskus: Ansprache im Rahmen einer Generalaudienz am 27.03.2013
3 Alvaro del Portillo: Hirtenbrief vom 25.12.1985, Nr. 10
Die Predigt von Pfarrer Daniel Sluminsky (geb. 1985, Priesterweihe 2015), der als Schulpfarrer in Brühl im Erzbistum Köln tätig ist, wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.