Im Vorfeld der Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen sorgt die Nutzung von Kirchengebäuden zu wahlwerblichen Zwecken durch AfD-Politiker für heftige Kritik aus kirchlichen Kreisen. Im aktuellen Fall posiert der Bürgermeisterkandidat der Partei in Sankt Augustin vor dem ortsprägenden Missionspriesterseminar der Steyler Missionare für Wahlwerbung. Vor dem Hintergrund der Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 2024, die völkischen Nationalismus und Christentum als unvereinbar bezeichnet, sehen Kirchenvertreter eine solche Instrumentalisierung sakraler Orte durch AfD-Politiker als „missbräuchlich und irreführend“.
AfD-Wahlkampf vor Kirchen: „Missbräuchlich und irreführend“
Ja, Kirchen prägen Städte und Dörfer und vermitteln als geistliche Orte Werte wie Nächstenliebe, Würde und Mitmenschlichkeit. Doch gerade diese Symbolkraft wird im aktuellen Kommunalwahlkampf in Nordrhein-Westfalen von politischer Seite zunehmend vereinnahmt. In Sankt Augustin bei Bonn posierte ein AfD-Kandidat für das Bürgermeisteramt vor dem markanten Missionspriesterseminar der Steyler Missionare. Die Reaktion auf das ohne Zustimmung des Ordens verwendete Bild fiel deutlich aus. So empfindet der Orden das Bild als „missbräuchlich und irreführend“. Das Gebäude werde so in einen parteipolitischen Kontext gestellt, „der in keiner Weise unserem Selbstverständnis entspricht“, heißt es vonseiten der Missionare.
Doch das ist kein Einzelfall, denn auch in Lippe-Detmold stehen drei Fälle beispielhaft für eine systematische Vereinnahmung der christlichen Kirchen für den Wahlkampf. Ein AfD-Bürgermeisterkandidat inszenierte sich in Presseauftritten und Social-Media-Videos gezielt vor Kirchen in Lippe-Detmold und warb für eine Politik nach christlichen Werten. Doch das Gegenteil sei der Fall, unterstrich der evangelische Landessuperintendent Dietmar Arends: „Die biblische Botschaft erzählt gerade von Gottes gnädiger Zuwendung zu allen Menschen – und zwar unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder anderen gesellschaftlichen Einteilungen.“
Auch der katholische Pfarrer Jacobs vom Pastoralverbund Lippe-Detmold äußerte sich ähnlich: „Wer sich auf christliche Werte besinnen möchte, wird auf die Aufforderung Jesu stoßen, sich besonders den Schwachen zuzuwenden.“ Das gelte für Freunde und Verwandte, aber auch für Menschen im eigenen Land und weltweit.
Kirche kritisiert AfD scharf
Ohnehin ist das Verhältnis der Kirchen zur AfD derart angespannt, dass die Deutsche Bischofskonferenz im Februar 2024 eine Erklärung veröffentlichte, in der sie betonte: Völkischer Nationalismus und Christentum seien unvereinbar. Damit verweist sie ausdrücklich auf die AfD, die für Christen nicht wählbar sei. Zur Begründung heißt es, die Partei sei nach mehreren Radikalisierungsschüben inzwischen von einer völkisch-nationalistischen Ideologie geprägt.
Der Kölner Stadt- und Domdechant Robert Kleine sieht die Nutzung des Kölner Doms im Wahlkampf hingegen weniger kritisch. Gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärte er, der Dom sei ein weithin bekanntes Wahrzeichen der Stadt und werde daher gerne als Kulisse genutzt. Dass sich Politiker vor dem Dom ablichten lassen, sei legitim – entscheidend sei letztlich nicht, wo jemand steht, sondern wofür.