StartWirtschaft & PolitikSchweiz: Ständerat lehnt schärfere Sterbehilfe-Regeln ab

Schweiz: Ständerat lehnt schärfere Sterbehilfe-Regeln ab

In der Schweiz flammt eine hitzige Debatte über die Regulierung der Sterbehilfe auf. Während Organisationen wie Exit und Dignitas vor einer unnötigen Bürokratisierung warnen und den Import ausländischer Hürden befürchten, fordern Kantone und Strafverfolgungsbehörden klarere rechtliche Leitlinien. Ein jüngster Fall in Genf sowie internationale Beispiele heizen die Diskussion zusätzlich an. Doch ein Antrag auf schärfere Regeln zur Sterbehilfe erhielt im Ständerat, der kleinen Kammer des Schweizer Parlaments, keine Mehrheit.

Debatte um Suizidkapsel und ärztliche Verantwortung

Die katholische Kirche lehnt jede Form aktiver Sterbehilfe sowie die Beihilfe zur Selbsttötung entschieden ab. In der Schweiz hingegen ist assistierter Suizid unter bestimmten Voraussetzungen legal. Ein Antrag auf eine strengere gesetzliche Regelung der Sterbehilfe wurde am Freitag im Ständerat abgelehnt.

Auslöser der neu aufgeflammten Debatte war unter anderem ein Fall, der vor fast genau einem Jahr breite mediale Aufmerksamkeit erregte: Eine 64-jährige US-Amerikanerin, die an einer Immunkrankheit litt, entschied sich in der Schweiz für einen begleiteten Suizid mithilfe einer sogenannten Suizidkapsel. In einer Videobotschaft erklärte sie ihre Beweggründe, setzte sich anschließend in die Kapsel und aktivierte das System eigenständig – wenige Minuten später war sie tot. So dokumentierte es eine Fotografin der niederländischen Zeitung Volkskrant, die zusammen mit Mitgliedern der Sterbehilfeorganisation „The Last Resort“ anwesend war. Just an dem Tag erklärten der Bundesrat und die Justizministerin den Einsatz der Kapsel in der Schweiz für unzulässig.

Eine klare gesetzliche Regelung wird inzwischen auch von mehreren Kantonen gefordert. Besonders in Genf drängen Staatsanwälte auf mehr Rechtssicherheit. Hintergrund ist ein aktueller, aufsehenerregender Gerichtsfall: Ein Arzt – der frühere Vizepräsident der Sterbehilfeorganisation Exit Westschweiz – wurde freigesprochen, nachdem er einer gesunden 86-jährigen Frau beim Suizid geholfen hatte. Die Frau wollte gemeinsam mit ihrem schwerkranken Ehemann sterben. Das Bundesgericht entschied, dass weder das Heilmittelgesetz noch das Betäubungsmittelgesetz in diesem Fall Anwendung finden.

Im Zentrum der politischen Diskussion steht nun die Forderung, verpflichtend eine neutrale Fachstelle beizuziehen, die den freien Willen suizidwilliger Personen bestätigt.

Ständerat lehnt Verschärfung ab, stimmt aber statistischer Erfassung zu

Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider sprach sich gegen eine Gesetzesverschärfung aus. Der bestehende Rechtsrahmen genüge, betonte sie. Suizidbeihilfe aus eigennützigen Motiven sei bereits heute verboten. Der abgelehnte Gesetzesvorschlag hätte lediglich präzisere Kriterien dafür festlegen sollen, wann eine Beihilfe als uneigennützig gilt.

Deutliche Kritik am Vorstoß zur Gesetzesverschärfung kam von den beiden größten Sterbehilfeorganisationen der Schweiz. Exit sprach von einem Versuch, ausländische Einschränkungen auf die Schweiz zu übertragen. In Ländern wie den USA, Spanien oder Österreich würden schwer erkrankte Menschen durch bürokratische Hürden zusätzlich belastet. „In der Schweiz braucht es kein Spezialgesetz – der bestehende Rechtsrahmen genügt“, so die Organisation.

Die Reaktion von Dignitas fiel noch schärfer aus: Die Organisation warf „klerikalen und bevormundenden Kreisen“ vor, den Fall der Suizidkapsel „Sarco“ für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

Nachdem der Ständerat den Gesetzesentwurf ablehnte, bleibt die aktuelle Rechtslage, die Suizidbeihilfe unter bestimmten Bedingungen erlaubt, unverändert. Gleichzeitig sprachen sich die Abgeordneten für eine umfassendere statistische Erfassung von Sterbehilfefällen aus. Künftig sollen unter anderem Alter, Geschlecht, Wohnort sowie Lebens- und Suizidumstände der betroffenen Personen dokumentiert werden. Auch die Zahl jener, die aus dem Ausland in die Schweiz reisen, um Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, soll künftig systematisch erfasst werden. Ob und wie diese statistische Erfassung umgesetzt wird, entscheidet nun der Nationalrat, die große Kammer des Parlaments.

VERWANDTE ARTIKEL

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

- Advertisment -

Beliebteste

Neue Kommentare

GodMag

Kostenfrei
Ansehen