Mit seiner ersten Apostolischen Exhortation Dilexi te setzt Papst Leo XIV. ein deutliches Zeichen für die soziale Ausrichtung seines Pontifikats. Das am Donnerstag veröffentlichte Lehrschreiben über die Liebe zu den Armen knüpft an ein unvollendetes Dokument seines Vorgängers Franziskus an und rückt die Nähe zu den Bedürftigsten ins Zentrum christlicher Nachfolge.
„Im Gesicht der Armen sehen wir das Leiden Christi“
Zu Beginn seines Lehrschreibens Dilexi te knüpft Papst Leo XIV. an ein zentrales Anliegen seines Vorgängers Franziskus an: Christen sollten den untrennbaren Zusammenhang zwischen der Liebe Christi und seiner Zuwendung zu den Armen erkennen. Für Papst Leo XIV. sei es nötig, „auf diesen Weg der Heiligung zu dringen“. Denn: „In dem ‚Aufruf, ihn in den Armen und Leidenden zu erkennen, offenbart sich das Herz Christi selbst, seine Gesinnung und seine innersten Entscheidungen, die jeder Heilige nachzuahmen sucht‘.“
Dabei beschreibt der Pontifex die Lebenssituation der Armen als „Schrei der“, der „unser eigenes Leben, unsere Gesellschaften, die politischen und wirtschaftlichen Systeme“ und auch die Kirche beständig hinterfrage. Weiter sei im „verwundeten Gesicht der Armen“ das Leid der Unschuldigen und somit das Leiden Christi selbst zu erkennen, führt Leo aus. In Anbetracht dessen formulierte der Papst einen eindringlichen Appell: Wenn man den „Schrei der Armen“ höre, seien wir aufgefordert, „mit dem Herzen Gottes zu fühlen“. Dieser, betonte der Pontifex, kümmere sich „um die Nöte seiner Kinder und besonders der Bedürftigsten“.
Kritik übt Leo XIV. an meritokratischen Vorstellungen, wonach Armut selbstverschuldet und Reichtum ein Zeichen von Leistung sei. „Wir dürfen nicht sagen, dass die meisten Armen arm sind, weil sie sich keine ‚Verdienste‘ erworben haben“, stellte der Papst klar. Dies seien falsche Vorstellungen der Meritokratie, „nach der scheinbar nur diejenigen Verdienste haben, die im Leben erfolgreich gewesen sind.“
Christliche Nächstenliebe als Antwort auf Ausgrenzung
Im weiteren Verlauf seines Schreibens beleuchtet Papst Leo XIV. ausführlich das biblische Verständnis von Armut. Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament werde deutlich, dass Armut weit mehr sei als materieller Mangel – sie bedeute vor allem gesellschaftliche Ausgrenzung. Auch Jesus habe diese Ausgrenzung selbst erfahren, betont der Papst. Als Offenbarung des privilegium pauperum trete Christus nicht nur als armer Messias auf, sondern als Messias für die Armen.
Die christliche Nächstenliebe gegenüber den Bedürftigen sei daher nicht bloß eine moralische Tugend, „sondern als konkreter Ausdruck des Glaubens an das fleischgewordene Wort“. Im Mittelalter, so erinnert Papst Leo XIV., antworteten die Bettelorden mit ihrem Leben auf Ausgrenzung und gesellschaftliche Gleichgültigkeit. Besonders in der Nähe zu Kranken und Bedürftigen zeigt sich, dass Erlösung nicht bloß eine abstrakte Idee sei, sondern konkretes Handeln. Wenn die Kirche eine Wunde versorge, mache sie sichtbar, dass das Reich Gottes bei den Schwächsten beginnt.
Echte christliche Nächstenliebe, so der Papst weiter, habe eine befreiende Kraft. Die wahre Sendung der Kirche bestehe darin, Befreiung zu verkünden – insbesondere dann, wenn sie sich den Armen zuwendet. Gerade in diesem Moment, wenn sie sich den Bedürftigen in Demut nähert, nehme die Kirche ihre würdevollste Haltung ein.
Denn den Ärmsten schreibt der Papst dabei eine besondere Rolle zu. Sie seien nicht nur „Adressaten unseres Mitgefühls, sondern Lehrer des Evangeliums.“ Es geht nicht darum, Gott zu ihnen „zu bringen“, sondern ihm bei ihnen zu begegnen, unterstreicht der Pontifex. Der Dienst an den Bedürftigen ist keine einseitige Hilfeleistung „von oben herab“, sondern eine Begegnung auf Augenhöhe. In dieser gegenseitigen Nähe, so Papst Leo XIV., wird Christus gegenwärtig.