StartGlaubenVon der Hülle zum Herzen – was Beten wirklich bedeutet

Von der Hülle zum Herzen – was Beten wirklich bedeutet

Lesungen: 1. L Sir 35,15b–17.20–22a; 2. L 2 Tim 4,6–8.16–18; Ev Lk 18,9–14

Pater Nelson OSJ

Wenn wir in diesen Tagen zur Grotte am Engelberg oberhalb von Grossheubach kommen, fällt uns auf: Überall liegen Kastanien. Die braunen, glänzenden Rosskastanien – schön zum Schmücken, für den Erntetisch oder den Kirchenschmuck. Und weiter oben, auf dem Weg zum Wald, wachsen die echten Maronen. Sie sind anders – in stacheligen Hüllen versteckt. Man muss sie erst vorsichtig öffnen, um an das Essbare, das Gute, das Wärmende zu kommen.

Ich denke: Diese zwei Arten von Kastanien sind ein schönes Bild für unser Beten – und für die Botschaft des Evangeliums. Jesus erzählt von zwei Menschen, die in den Tempel gehen, um zu beten. Der Pharisäer steht vorn, betet laut, zählt seine guten Werke auf. Sein Gebet glänzt – wie eine polierte Kastanie.

Alles ist schön geordnet, sauber, vorzeigbar. Aber es bleibt äußerlich.

Er betet – aber eigentlich spricht er nicht mit Gott, sondern über sich selbst. Und so sagt Jesus: Er geht nicht gerechtfertigt nach Hause. Gott sieht nicht auf das Äußere, sagt das Buch Jesus Sirach, sondern auf das Herz.

„Er sieht den Armen, den Witwer, die Waise, und er hört ihr Rufen.“ (vgl. Sir 35,15–17)

Der Zöllner steht hinten. Er wagt kaum aufzublicken. Sein Gebet ist schlicht: „Gott, sei mir Sünder gnädig.“ Kein Schmuck, kein Glanz – aber echt. Er ist wie die Marone in der stacheligen Schale: Verletzt, unansehnlich, aber mit einem guten Kern im Innern. Und Gott sieht dieses Innere. Er hört dieses Gebet, weil es aus dem Herzen kommt. So sagt Jesus: „Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück.“

In der zweiten Lesung hören wir Paulus: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt.“ Er sagt das nicht stolz, sondern voller Vertrauen. Er weiß, dass Gott ihn getragen hat – auch in den Dornen seines Lebens. „Der Herr stand mir bei und gab mir Kraft.“ (2 Tim 4,17) Paulus hat gelernt: Nicht das glänzende Äußere zählt, sondern die Treue des Herzens.

Hier bei der Grotte ist es ähnlich: Die glänzenden Kastanien sind schön anzusehen – sie schmücken unsere Kirchen, unsere Altäre. Aber die echten, essbaren Maronen – sie müssen erst aus der Hülle, durch die Dornen hindurch. Und erst dann, wenn sie über dem Feuer geröstet werden, entfalten sie ihren wahren Geschmack, ihre Wärme.

In Italien gehen im Herbst viele Kinder mit ihren Eltern hinaus, sammeln Maronen, und daraus wird eine Aktion: Kastanien grillen, Glühwein trinken, und der Erlös ist für einen guten Zweck. Aus etwas Stacheligem wird Freude, Gemeinschaft, Hilfe – weil es geteilt wird. Genau das ist echtes Gebet: Nicht das, was schmückt, sondern das, was nährt. Nicht das, was nur schön klingt, sondern das, was geteilt wird – mit Gott und mit anderen.

Vielleicht können wir uns in dieser Woche eine Kastanie in die Tasche stecken – als Erinnerung: Bin ich eher wie die glänzende Schmuckkastanie – schön, aber verschlossen?
Oder wie die Marone – vielleicht stachelig, aber voller Leben, wenn ich mich öffne?

Echtes Gebet braucht keine schönen Worte. Es braucht ein offenes Herz. Und Gott freut sich über das, was echt ist – nicht über das, was glänzt. Denn: „Der Herr hört das Gebet des Armen. Er wendet sich nicht ab, wenn jemand ihn anruft.“ (Sir 35,20)

Möge Gott auch uns helfen, dass unser Beten und Leben echt wird – von Herzen, durch die Dornen hindurch – bis es warm wird und duftet, wie eine frisch geröstete Marone an einem kühlen Herbsttag.

Pater Nelson OSJ ist Wallfahrtsrektor der Kirche St. Michael auf dem Engelberg in Großheubach und engagiert sich für Seelsorge, Gebet und Gemeinschaft. Er gehört dem Orden der Oblaten des Heiligen Josef an.

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