Der Mensch besitzt die Fähigkeit zu formen und zu gestalten. Städte steigen aus leeren Ebenen, Maschinen bändigen Natur und Zeit. Diese Macht ist einzigartig in der Schöpfung, denn kein anderes Lebewesen gleicht dieser kreativen Fähigkeit des Menschen. Was viele nicht wissen oder nicht wahrhaben wollen, ist, dass die Macht des Schaffens ein Geschenk Gottes ist. Zugleich stellt sie aber eine Prüfung dar.
Mit jedem Haus, das in den Himmel wächst, mit jeder Maschine, die die Natur zwingt, greift der Mensch in die Schöpfung ein. Sein Handeln ist nie neutral. Denn was der Mensch erschafft, ist immer auch Teil eines größeren Ganzen, dessen Ordnung er weder bestimmen noch vollständig durchschauen kann.
Geschichte und Gegenwart liefern unzählige Belege für die Folgen menschlicher Selbstüberschätzung: Monumente aus Stein, die Generationen überdauern sollen, zerfallen unter Wind und Regen; Reiche, die über Kontinente herrschen wollten, lösen sich in innerer Zerbrechlichkeit auf; selbstgemachte Götter verschwinden am Sternenhimmel. Auch unsere modernen Städte, scheinbar geordnet und sicher, wirken wie fragile Gläser, deren Fundamente aus sozialen Spannungen, ökologischen Risiken und moralischen Kompromissen bestehen.
Jeder Bau, jede Maschine, jede Errungenschaft wird so zum Prüfstein: Ob der Mensch über sich hinauswächst oder in der Illusion seiner eigenen Größe gefangen bleibt, hängt davon ab, ob er die göttliche Ordnung achtet.
Ambition – Spiegel der Blindheit
Ambitionen treiben den Menschen über seine eigenen Grenzen hinaus. Sie können ihn zugleich aber für die Ordnung Gottes blind machen. Imperien beispielsweise, die über Kontinente reichen, entstehen nicht aus göttlicher Inspiration, sondern meist aus dem Drang nach Kontrolle, Macht und Einfluss. Die Geschichte ist voll von solchen Beispielen: Kolonialreiche, die ganze Kontinente ausbeuteten; Kreuzzüge, in denen Städte und Regionen in Blut getränkt wurden; totalitäre Regime, die Millionen Menschen verschlangen. Auch moderne wirtschaftliche, politische und technologische Systeme zeigen dieselbe Dynamik. Konzerne, die Märkte monopolisieren, oder ideologische und totalitäre Regierungen treffen Entscheidungen, die Millionen betreffen, setzen kurzfristigen Gewinn oder Machterhalt über langfristige Verantwortung und spiegeln damit die Hybris vergangener Epochen wider.
Und wir? Wir lassen uns einspannen, folgen Werbung, Politik und Propaganda, ohne die Tragweite unseres Handelns zu erkennen. So werden wir unbewusst Werkzeuge einer größeren Gier, deren Dimensionen wir oft nicht begreifen. Diese individuelle Blindheit summiert sich über Zeit und Raum zu kollektiven Folgen: Imperien und Städte zerfallen, Technologien entgleiten den Schöpfern, moralische Werte werden zugunsten von Profit verzerrt. Generationen tragen dann die Narben solcher Entgleisungen.
Ambition an sich ist nicht schädlich – sie kann die Welt bewegen und neue Möglichkeiten eröffnen. Ohne Orientierung an Gott wird sie aber zur unkontrollierbaren Kraft: Sie treibt den Menschen über seine Grenzen, richtet Schaden an und wird zur Waffe gegen die Ordnung, die allein alles trägt. Erst wenn Ambition durch Gottes Maßstab gebremst wird, bleibt sie Werkzeug für Fortschritt.
Fortschritt – Prüfstein der Orientierung
Fortschritt ist mehr als Technik und Innovation. Er ist eine Bewegung, oder Ausdruck dessen, wie der Mensch seine Fähigkeiten einsetzt und dabei die Verantwortung trägt. Und einfach jede Errungenschaft zeigt, ob der Mensch seine Macht im Einklang mit Gottes Ordnung nutzt oder sich überschätzt und Schaden für die Welt riskiert.
Die Geschichte liefert dafür genügend Beispiele: Die industrielle Revolution brachte Wohlstand, Maschinen und neue Lebensweisen, zugleich aber Armut, ausgebeutete Arbeiter und ökologische Schäden, deren Folgen Generationen prägen. Atomenergie eröffnete ungeahnte Kraft, machte den Menschen aber zugleich zum Hüter einer Bedrohung, die Angst und Schrecken erzeugen kann, weil sie Regionen für Jahrhunderte vernichten könnte. Die digitale Revolution verbindet Milliarden, verbreitet Wissen und schafft Gemeinschaft – öffnet aber Räume für Manipulation, Abhängigkeit und moralische Verwirrung.
Fortschritt ist neutral. Seine Wirkung hängt von der Orientierung des Menschen ab. Wohin soll der Fortschritt gehen? Welches Ziel soll erreicht werden? Das entscheiden wir, der Mensch. Ignoriert man Gott als Maßstab, zerfallen soziale, ökologische und moralische Strukturen. Nutzt man seine Fähigkeiten mit Maß, Verantwortung und Weitblick, können Lebensbedingungen verbessert, Arbeit erleichtert oder Bildung und Gemeinschaft gefördert werden. Jede Errungenschaft offenbart also, wie der Mensch seine Macht führt – sie kann zerstören oder Gutes bewirken, wenn sie im Einklang mit Gottes Ordnung eingesetzt wird.
Orientierung – eine radikale Aufgabe
Der Mensch ist frei, und gerade diese Freiheit macht seine Verantwortung radikal und sein Schaffen faszinierend und gefährlich. Die Hybris bleibt eine ständige Versuchung, weil wir nie alles wissen oder kontrollieren können. Doch die Aufgabe bleibt: Ambition muss gemessen und Verantwortung bewusst übernommen werden.
Die Orientierung an Gott als Grundlage allen Handelns muss bewahrt werden. Sie gibt dem Menschen einen Kompass, der leitet, ohne zu lähmen, und vor der Versuchung der Hybris warnt, solange er erschafft und gestaltet. Wer Gottes Ordnung vergisst, eröffnet eine Spirale, in der der Mensch glaubt, über das Maß der Welt hinauszukommen, bis die Folgen seiner Zerstörung ihn unvermeidlich einholen.
Orientierung an Gott ist kein optionaler Rahmen oder eine Einschränkung. Sie ist die Bedingung für jede menschliche Schöpfung, die Bestand haben will. Die Verantwortung, sich der Hybris zu stellen, liegt bei uns.
