Ein Gericht in Armenien hat den armenisch-apostolischen Erzbischof Mikael Ajapahyan zu zwei Jahren Haft verurteilt. Der Geistliche wird beschuldigt, öffentlich zu einer Machtübernahme und zum Sturz der Regierung aufgerufen zu haben. Vorwürfe, die sowohl Ajapahyan als auch die Armenisch-Apostolische Kirche als politisch motiviert zurückweisen. Der Fall steht exemplarisch für die angespannte Beziehung zwischen der Kirche und der Regierung unter Premierminister Nikol Paschinjan, die zunehmend säkularere Reformen verfolgt und die politische Einflussnahme der Kirche kritisiert.
Vorwurf: Aufrufe zum Regierungssturz
Der Erzbischof von Shirak wird beschuldigt, öffentlich zu einer Machtübernahme und zum gewaltsamen Sturz der Regierung aufgerufen zu haben. Bereits am 24. September hatte ein Gericht ihn in diesem Zusammenhang für schuldig befunden. Die Anklage stützt sich auf Teil 2 des Artikels 422 des armenischen Strafgesetzbuches, der öffentliche Aufrufe zur Übernahme der Macht oder zur Verletzung der verfassungsmäßigen Ordnung unter Strafe stellt. Sowohl der Erzbischof als auch die Armenisch-Apostolische Kirche weisen diese Vorwürfe entschieden zurück und bewerten das Urteil als politisch motiviert.
Die Kirche bezeichnet das Strafmaß, das noch angefochten werden kann, als Ausdruck politischer Repression. Nach Ansicht der Kirchenleitung habe das Gericht grundlegende Prinzipien der Gerechtigkeit missachtet. Von Beginn an sei klar gewesen, dass die strafrechtliche Verfolgung des Oberhaupts der Diözese Shirak politisch beeinflusst sei. Das Urteil wird als ungerecht kritisiert und als Teil einer „kirchenfeindlichen Kampagne“ der Behörden gewertet, die damit Meinungs- und Religionsfreiheit sowie das Diskriminierungsverbot verletzten und die demokratische Ordnung infrage stellten.
Kirchenleitung und Anwalt kündigen Berufung und internationale Schritte an
Die Kirchenleitung verurteilt das Urteil scharf und bezeichnet es als empörende Ungerechtigkeit. Man bekräftige, dass der Heilige Stuhl von Etschmiadzin weiterhin für die Wiederherstellung der Rechte von Erzbischof Mikael Ajapahyan kämpfen werde – auch durch internationale juristische Maßnahmen.
Auch Ajapahyans Anwalt, Ara Zohrabyan, spricht von einer „offensichtlichen politischen Anordnung“. Er kritisiert, dass das Gericht bei der Urteilsverkündung plötzlich Artikel 442 des Strafgesetzbuches (illegale unternehmerische Tätigkeit durch einen Amtsträger) zugrunde gelegt habe, obwohl die Anklage ursprünglich auf Artikel 424 (öffentliche Aufrufe zur Machtergreifung) basierte.
Zohrabyan betont, sein Mandant habe keine Handlungen begangen, die unter diese Paragrafen fallen. Die Vorwürfe seien lediglich Ausdruck persönlicher Meinungen und nicht als Aufruf zum Handeln zu werten. Das Verteidigungsteam kündigt Berufung an und will den Fall zudem vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bringen.
Hintergrund: Konflikt zwischen Kirche und Regierung
Der Fall fügt sich in einen größeren Konflikt zwischen der Armenisch-Apostolischen Kirche und der Regierung unter Premierminister Nikol Paschinjan ein. Im Zuge dieser Auseinandersetzung wurden bereits mehrere prominente Geistliche wegen mutmaßlicher Aufrufe zu gewaltsamen Umstürzen festgenommen. So befindet sich neben dem seit Juni inhaftierten Erzbischof Mikael Ajapahyan auch Erzbischof Bagrat Galstanyan, der im vergangenen Jahr regierungskritische Proteste auf den Straßen angeführt hatte, in Untersuchungshaft und wird strafrechtlich verfolgt.
Mit dem Amtsantritt von Paschinjan änderte sich das Verhältnis zwischen Staat und Kirche grundlegend: Die neue, EU- und reformorientierte Regierung verfolgt das Ziel eines moderneren und säkulareren Staates. In diesem Kontext übte sie wiederholt Kritik an Vertretern der Kirche – insbesondere wegen mangelnder Transparenz, konservativer Positionen und politischer Einflussnahme.
Die Kirchenleitung wiederum äußerte mehrfach öffentlich scharfe Kritik an der Regierung Paschinjan. Diese Spannungen verschärften sich weiter nach der Vertreibung von rund 120.000 Armeniern aus Berg-Karabach im Herbst 2023.