Beim Symposium zum 75. Geburtstag des Schweizer Kurienkardinals Kurt Koch in Vallendar haben die Bischöfe Heiner Wilmer (Hildesheim) und Bertram Meier (Augsburg) zu einer geistlichen Erneuerung der Kirche aufgerufen. Angesichts wachsender Säkularisierung warb Wilmer für eine „robuste Spiritualität“, die Stille, Glaubenserfahrung und Einsatz für Gerechtigkeit verbindet. Meier hingegen mahnte, die Kirche dürfe trotz sinkender Mitgliederzahlen ihre Ansprüche nicht weiter absenken, sondern müsse die Gottesfrage wieder ins Zentrum rücken und Räume für persönliche Christusbegegnungen schaffen.
Bischof Meier: Kirchliche Ansprüche nicht herunterschrauben
Der Augsburger Bischof Bertram Meier warnt davor, angesichts sinkender Mitgliederzahlen die kirchlichen Ansprüche weiter zu senken. Eine noch stärker vereinfachte oder dogmenferne Pastoral könne nicht die Antwort auf die aktuelle Krise der Kirche sein, betonte er beim Symposium zum 75. Geburtstag des Schweizer Kurienkardinals Kurt Koch in Vallendar.
Niederschwellige Angebote seien zwar wichtig, dürften jedoch nicht zum Selbstzweck werden. Oft bleibe die Kirche „bei den Menschen dort stehen, wo wir sie abholen“, ohne ihnen den tieferen Sinn des Glaubens zu erschließen, kritisierte Meier. Stattdessen müsse die Gottesfrage wieder ins Zentrum kirchlichen Handelns rücken. Ziel müsse es sein, Räume zu schaffen, in denen Gläubige eine persönliche Begegnung mit Christus erfahren können.
In säkularer Gesellschaft braucht es eine „robuste Spiritualität“
Für den Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer hat sich die zentrale theologische Frage in der heutigen, zunehmend säkularen Gesellschaft verschoben. Nicht mehr die theoretische Existenz Gottes stehe im Vordergrund, sondern die praktische Wirkung des Glaubens im Leben der Menschen. „Wenn es Gott gibt und ich an ihn glaube – was verändert das in meinem Leben, in meinem Verhältnis zur Welt und zu den Menschen?“, fragte Wilmer beim Symposium in Vallendar.
Er verwies auf aktuelle soziologische Daten, nach denen nur 19 Prozent der Bevölkerung an einen Gott glauben, der sich in Jesus Christus offenbart hat. Unter Kirchenmitgliedern liege die Zustimmung etwas höher – bei 29 Prozent der Protestanten und 32 Prozent der Katholiken. Diese Zahlen zeigten, dass Säkularisierung ein tiefgreifendes Phänomen sei, das man nicht verharmlosen dürfe.
Die Vorstellung, jeder Mensch habe eine natürliche religiöse Veranlagung, sei heute fraglich, so Wilmer. Deshalb brauche es eine „robuste Spiritualität“, die auf Stille, persönliche Glaubenserfahrungen, die Wahrnehmung göttlicher Schönheit und den Einsatz für Gerechtigkeit setze. Christlicher Glaube dürfe nicht als Leistung verstanden werden, sondern als Offenheit für Gott. Es gehe nicht um sich selbst, Macht, Gewinn oder Tun im Sinne von Leistung, so Wilmer. „Es geht darum, aus Gott zu leben“, betonte der Bischof. In der Gegenwart stehe nicht nur Gott selbst „auf dem Prüfstand“, sondern auch „wir mit Gott“.
