Unter dem Motto „Frieden ist der Weg, und am besten geht man ihn gemeinsam“ forderten Demonstranten aller religiösen Gruppen in Jerusalem gemeinsam ein Ende des Krieges. 600 Tage nach Beginn des Krieges im Heiligen Land zogen am Mittwoch Vertreter verschiedener Religionen von der Jerusalemer Innenstadt in Richtung Altstadt. Die dritte Ausgabe des interreligiösen Friedensmarsches setzte in diesem Jahr ein besonders eindrucksvolles Zeichen: Sie war der israelischen Friedensaktivistin Vivian Silver gewidmet, die am 7. Oktober 2023 bei dem Angriff der Hamas getötet wurde. Auch der deutsche Botschafter in Tel Aviv, Steffen Seibert, war unter den Teilnehmenden.
Gottesebenbildlichkeit und gemeinsame Werte
Der Rabbiner Avi Dabusch betonte während des Friedensmarsches, dass mit dem 7. Oktober 2023 „die blutigste Periode in der Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts“ begonnen habe. Neben den großen Verlusten durch den Angriff der Hamas und den 58 Geiseln, die sich weiterhin in der Gewalt der Terrorgruppe befinden, sei ein großer Kampf „unsere Werte zu bewahren“.
Weiter mahnte Dabusch, dass es bei diesen Werten keinen Raum für den „massenhaften Tod von Kindern und Frauen in Gaza“ gebe. Ebenso sei die Behauptung, es gebe keine unschuldigen Menschen, haltlos. Den Blick auf die Gottesebenbildlichkeit eines jeden Menschen gerichtet, betonte er, dass Diskriminierungen wegen ethnischer Zugehörigkeit, Religion und Geschlecht nicht zu akzeptieren seien. „Es ist so wichtig, dass Menschen zusammen für die Gottesebenbildlichkeit auf die Straße gehen – und schön, dass es geht“, erzählte auch Ines Fischer, Pfarrerin der deutschsprachigen lutherischen Gemeinde in Jerusalem, gegenüber der Nachrichtenagentur KNA.
Auch wenn nur eine kleine Gruppe von rund 300 Menschen dem Aufruf der Religionsvertreter gefolgt sei, sei es wichtig, „dass sie da sind und dass sie durchhalten“, betonte Fischer.
Friedensmarsch – „Beten mit Füßen“
Yisca Harani beklagte die geringe Beteiligung am Friedensmarsch. Die israelische Jüdin, die sich seit vielen Jahren für den interreligiösen Dialog und ein friedliches Zusammenleben der Religionen in Jerusalem einsetzt, betonte, wie herausfordernd diese Zurückhaltung sei. „Es ist ein sehr kleines Event, aber wir müssen irgendwo anfangen“, zog sie ein Resümee. „Wenn wir unsere Beine nicht nutzen, werden wir nicht gehen. Vielleicht brauche ich keine hundert Beine, sondern nur meine beiden.“
Trotz der überschaubaren Beteiligung war die Botschaft der Anwesenden unübersehbar. Yisca Haranis persönliche Entschlossenheit spiegelte sich auch in der Symbolik der Demonstration wider: „Beten mit meinen Füßen“ stand auf den T-Shirts vieler Teilnehmer. Viele waren der Aufforderung der Veranstalter gefolgt und hatten sich weiß gekleidet. Ordensgewänder, Priesterkragen, Kopftücher und Kippas prägten das Bild.
Erst singend und betend, dann in stiller Andacht an die Opfer des Krieges zogen die Demonstranten in Richtung der Jerusalemer Altstadt. Das gemeinsame Auftreten der unterschiedlichen religiösen Gruppen war ein starkes Zeichen – doch nicht überall stieß es auf Zustimmung. Einige Passanten reagierten mit Unmut auf das sichtbare Nebeneinander der Religionen: „Geht nach Tel Aviv“, „Geht nach Hause“, riefen manche; andere wurden direkter: „Geht nach Gaza“. Zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung kam es jedoch nicht.
Gemeinsam Frieden erreichen
Am Friedensmarsch nahm auch der deutsche Botschafter in Tel Aviv, Steffen Seibert, teil. Gegenüber der katholischen Nachrichtenagentur begründete er seine Teilnahme damit, dass hier „zwei Dinge zusammenkommen, die uns Deutschen doch wichtig sind: die Sehnsucht nach Frieden für das Heilige Land und der Dialog der Religionen“.
Aus der gemeinsamen Haltung von Juden, Muslimen, Christen und Drusen, die sich gegenseitig respektieren und ein gemeinsames Ziel verfolgen – „und vielleicht gerade aus dieser Gemeinsamkeit“ – könne Neues entstehen, drückte er seine Hoffnung aus.
Der Friedensmarsch endete vor den Toren der Jerusalemer Altstadt mit kurzen Gebeten, die von Vertretern der verschiedenen Religionen und Konfessionen gesprochen wurden. Den Abschluss der Veranstaltung bildete ein interreligiöses Gebet in der Davidszitadelle.