In Großbritannien sind stille Gebete in abtreibungsbezogenen Einrichtungen verboten. Dieser Gesetzesentwurf wurde am 23. Februar 2023 vom britischen Unterhaus verabschiedet und macht „störende Handlungen“ in einer Entfernung von 150 Meter um eine solche Einrichtung strafbar. Darunter fallen alle Handlungen, die Einschüchterung, Belästigung, Beunruhigung oder Bedrängnis für das arbeitende Personal oder für Personen darstellen können, die Klinik-Aufsuchende darstellen können. In Deutschland möchte die Ampelregierung nun dem Vorbild Großbritanniens folgen und „Gehsteigbelästigungen“ in der Nähe von Abtreibungskliniken verbieten.
Gebetsverbote: Angriff auf die Meinungs-, Religions- und Redefreiheit
Ein Blick nach Großbritannien zeigt die Auswirkungen eines solchen Verbotes. Die Leiterin der Lebensrechtsorganisation „March for Life“ (Marsch für das Leben) Isabel Vaugh-Spruce, wurde am 06. März 2023 von der britischen Polizei in Birmingham festgenommen. Das Vergehen: Die 46-jährige Lebensschützerin betete still vor der Abtreibungsklinik „Robert Clinic“. Obwohl die Klinik zu diesem Zeitpunkt geschlossen war, befand sie sich in einer von der Stadtverwaltung eingerichteten Schutzzone. In einer solchen Zone sind Gebete verboten. Egal ob sie sicht- und hörbar sind oder nicht. Auf Twitter wurde ein Video verbreitet, welches die Konversation zwischen der Polizei und Vaugh-Spruce zeigte. „Ich protestiere nicht, ich bete still“, verteidigte die Lebensschützerin ihren Aufenthalt in der Schutzzone. Der Polizist erwiderte daraufhin, dass ein Gebiet in diesem Bereich eine Straftat ist. Die Menschenrechtsorganisation ADF International (Allianz zur Verteidigung der Freiheit) warnt bei solchen Gesetzen vor dem Eingriff in die persönlichen Rechte und Freiheiten.
Verbot der „Gehsteigbelästigung“ im Koalitionsantrag verankert
Im Rahmen des Koalitionsantrags der Grünen, der SPD und der FDP verankerten die Parteien im Jahr 2021 ein Verbot gegen die Belästigung. Für Bundesfamilienministerin Lisa Paus kann so ein Gesetz nicht schnell genug kommen. Gegenüber der linken Berliner Tageszeitung erklärte die Grünen-Politikerin, dass der Gesetzesentwurf hierfür „möglichst bald“ kommt. Weiter betont sie, dass die Belästigung für Frauen in einer solchen Situation ein „Unding“ sei. Es ist für die Politikerin ein unhaltbarer Zustand, dass Frauen in einer derart schwierigen Lage und auf dem Weg zur Beratung belästigt und bedroht werden.
Jeremiah Igunnubole: „Kriminalisierung der Gedankenfreiheit“
In Großbritannien wurde ein Gesetz für eine „Zensurzone“ in der Nähe von abtreibungsorientierten Einrichtungen verabschiedet. Angelehnt ist dieses Gesetz an die „Schutzzonen“ von Städten wie Birmingham. Diese „Zensurzone“ verbietet jegliche Form der Beeinflussung. Für den Parlamentarier Andrew Lewer aus Nottingham sind stille Gebete und einvernehmliche Konversationen aus dem Verbot auszuschließen. Der konservative Abgeordnete verurteile selbst jede Belästigung gegenüber Schwangeren, sieht stille Gebete und einvernehmliche Gespräche davon aber „meilenweit entfernt“. Der Jurist der britischen Zweigstelle von ADF International geht noch einen Schritt weiter. Für ihn sind solche Gesetze ein „Wendepunkt für die Grundrechte und Freiheiten“ in seinem Land. Weiter spricht er von der „Kriminalisierung der Gedankenfreiheit“ und weist damit auf die rechtlichen Folgen eines solchen Gesetzes hin. So ist es erlaubt, in solchen Schutzzonen zu stehen und an nichts zu denken. Sollte man aber in Gedanken ein Gebet sprechen, wäre man ein Straftäter.
Ministerin auf Konfrontationskurs mit dem Gesetz
Der Menschenrechtsexperte von ADF International, Felix Böllmann, sieht in den Ankündigungen der Grünen-Politikerin keinen Sinn. „Belästigungen im Rechtssinne sind bereits jetzt verboten und je nach Intensität sogar strafbar“, so der Jurist. Nach aktueller Rechtslage ist es ohnehin verboten, Druck auf die Besucher der Abtreibungskliniken auszuüben. Auch das Blockieren der Eingänge von Kliniken und Beratungsstellen fällt unter das Gesetz.
Dieser Fakt fördert den Verdacht, dass die Ministerin von Belästigung und Bedrohung spricht, vielmehr aber die friedlichen und stillen Aktionen der Lebensschützer im Auge hat. Mit dem Gründen von „Zensurzonen“ bewege sich die Politikerin auf einem Konfrontationskurs mit dem Gesetz. Damit würde sie die persönlichen Freiheiten wie die Rede-, Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit gefährden.
Deutsche Kommunen verbieten Gebetsversammlung: Gericht kippt die Entscheidung
Nicht nur in England gibt es diese Diskussionen um Versammlungen vor Abtreibungskliniken oder Beratungsstellen. Auch in Deutschland gibt es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen den Lebensschützern und den Städten. In Pforzheim wurde der Gruppe „40 Tage für das Leben“ die Gebetsversammlung vor eine Geschäftsstelle von „Pro Familia“ untersagt. Die Abtreibungsgegner treffen sich zweimal im Jahr zu einer solchen Versammlung. In Pforzheim standen sie nicht direkt vor den Türen der Beratungsorganisation, sondern auf der anderen Seite einer vierspurigen Straße. Dennoch verwies die Ortsverwaltung die Gruppe darauf, ihre Versammlung nur außerhalb der Öffnungszeiten sowie außer Sichtweite der Niederlassung stattfinden zu lassen. Als Grund dafür nannte die Stadt die Persönlichkeitsverletzung der Schwangeren, die diese Beratungsstelle aufsuchen.
Die Lebensschützerin Pavica Vojnović zog mit Hilfe von ADF International in zweiter Instanz erfolgreich vor Gericht. Das Baden-württembergische Verwaltungsgericht gab der Pforzheimerin recht. Die Begründung der Richter war die in den Grundrechten verankerte Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Außerdem ging von der Gruppe keinerlei Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus. Das Gericht stützte sich dabei auf einen ähnlichen Fall, der in Frankfurt am Main verhandelt wurde. In der Millionenmetropole wollte die Kommune die Gruppe „40 Tage für das Leben“ außer Sichtweite einer „Pro Familia“-Stelle verbannen. Die Richter gaben an, dass die Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht ohne triftigen Grund eingeschränkt werden darf.
Diese Diskussionen sind eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Für Böllmann ist es entscheidend, dass man sich über den Schutz von Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit einig ist, egal auf welcher Seite man in dem Konflikt steht. „Zensurzonen, Gebetsverbote und die Verbannung von Hilfsangeboten haben in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat keinen Platz“, so Böllmann weiter.