Trotz der vereinbarten Waffenruhe befindet sich die Ukraine, und besonders die humanitäre Lage im Land, in einer Ausnahmesituation. Die Nachricht, die nach den dreitägigen Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine in Saudi-Arabien die Bevölkerung erreichte, war ein Hoffnungsschimmer für die geschundenen Seelen. Der Waffenstillstand könnte ein erster Schritt in Richtung des dauerhaften Friedens sein. Doch während die diplomatischen Verhandlungen laufen, leben die Menschen weiter in Angst vor Verlust und Entbehrungen. Dennoch konnten die Menschen durch die Gespräche neue Hoffnung für eine bessere Zukunft schöpfen.
Ukraine im Ausnahmezustand: Leben zwischen Hoffnung und Angst
Danielle Vella vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) hat vor Kurzem die West- und Südwestregionen der Ukraine besucht. Der Krieg sei, auch wenn Lviv, Czernowitz und Transkarpatien nicht direkt an der Front liegen, auch dort allgegenwärtig. Weiter erklärte sie gegenüber Radio Vatikan, dass Bischof Theodor Matsapula es mit seiner Aussage auf den Punkt gebracht habe. Er sagte, dass sie „als Teil des ukrainischen Volkes“ den Schmerz der Familien und Gemeinden, die ihre Angehörigen verloren haben, mitfühlen. Beerdigungen von Soldaten in den Kirchen seien fast täglich zu bewältigen. Bilder, Gedenkstätten und Friedhöfe erinnerten ständig an die Toten. Es sei seltsam, einen Krieg zu bedauern, der noch andauere, erklärte Vella. Doch die Trauer ist nicht das einzige, mit dem die Bevölkerung leben muss. Die Angst ist ein ständiger Begleiter. Männer befürchten, zum Kriegsdienst eingezogen zu werden, und Millionen Menschen verließen ihre Heimat, um dem Militärdienst zu entgehen oder um Schutz zu finden.
Vella berichtete, was ihr eine Caritas-Mitarbeiterin sagte: „Es ist, als wäre in jeder Familie eine Bombe explodiert.“ Ehemänner, Väter und Söhne seien an der Front, befänden sich auf der Flucht oder seien bereits in Sicherheit, „während die Frauen zurückbleiben und ihre Familien mit ungewisser Zukunft versorgen.“ 3,7 Millionen Binnenvertriebene stellt die Ukraine vor eine riesige Herausforderung. Selbst in Transkarpatien, einer der sichereren Regionen, sei jeder vierte Einwohner ein Flüchtling. Vella erklärte, dass diese erschreckenden Zahlen mit Ländern wie dem Libanon, das weltweit die meisten Geflüchteten pro Kopf aufnimmt, vergleichbar seien.
Das Problem der „Spendenmüdigkeit“
Die Kirche bleibe auch in dieser Zeit ein Zufluchtsort für die besorgten Menschen. Neben materieller Hilfe erhalten die Menschen auch psychologische und spirituelle Unterstützung. Durch Projekte wie das von den Jesuiten betriebene Zentrum „Space of Hope“ bekommen Angehörige der Soldaten an der Front Hilfe. Zugleich unterhalten Caritas und JRS Notunterkünfte, Suppenküchen und Bildungsangebote, um die Einwohner mit dem Nötigsten zu versorgen. „In einem JRS-Schutzhaus in Lviv können Mütter, Großmütter und Kinder endlich einmal aufatmen, bevor sie sich dem schwierigen Alltag stellen müssen“, betonte Vella. Doch trotz der Unterstützung durch die Kirche warnen Hilfsorganisationen vor der nachlassenden internationalen Hilfe. Die „Spendenmüdigkeit“ stelle ein großes Problem dar, da die humanitäre Krise nicht mit dem Krieg endet. „Sie könnte noch schlimmer werden“, warnt Vella.
Dennoch erlebe sie Zeichen der Hoffnung. Die Quelle seien die Menschen selbst, erzählte sie und berichtete von Pater Mykhajlo. Der ukrainische Jesuit reise durch das ganze Land, um Seelsorge zu leisten. Sein Glaube schenke ihm die Kraft, auch die Männer an der Front zu unterstützen.
Die Menschen in der Ukraine sehnen sich nach einem gerechten und dauerhaften Frieden. Sie hoffen, ihr Land nach dem Krieg wiederaufzubauen, dass Geflüchtete zurückkehren und sie nicht gezwungen sind, ihre Ressourcen aufzugeben. Doch sie wissen auch: Sie können diese Herausforderung nicht allein meistern. „Sie hoffen, dass die Welt mit ihnen hofft“, erklärte Vella und betonte die Bedeutung der Solidarität. „Diese Unterstützung ist entscheidend.“