Die Meldung aus dem Petersdom schockiert, empört und macht fassungslos: Ein Mann urinierte auf den Confessio-Altar im Petersdom – jenen Altar, der über dem Grab des Apostels Petrus steht. Jenen Altar, an dem der Papst selbst die Heilige Messe feiert. Ein Ort, der für Millionen Gläubige weltweit ein Inbegriff des Heiligen ist, der Ehrfurcht und Anbetung gebietet.
Was sich am Freitag in der Basilika zutrug, war keine bloße Ordnungswidrigkeit. Es war ein Akt der Schändung – ein symbolischer Schlag gegen das, was vielen Gläubigen heilig ist.
Entweihung des Confessio-Altars
Hunderte Touristen und Gläubige wurden Zeugen der Entweihung, die sich mitten im Herzen des Petersdoms unter dem gewaltigen Baldachin Berninis zutrug. Ein Mann kletterte auf den Hauptaltar und urinierte „unter fassungslosen Blicken Hunderter Touristen“ darauf, wie die Zeitung Corriere della Sera berichtete. Der Täter wurde rasch von Sicherheitskräften abgeführt, doch die Bilder des Vorfalls verbreiteten sich bereits rasant in den sozialen Medien. Und mit ihnen: Empörung, Unverständnis – ja, auch Schmerz.
Zurück bleiben Fragen: Wie konnte es so weit kommen? Was bringt einen Menschen dazu, in einem der heiligsten Räume der katholischen Weltkirche eine solche Schändung zu begehen? Und – vor dem Hintergrund der zunehmenden Fälle von Vandalismus in Kirchen – was sagt das über unsere Zeit aus?
Wenn das Heilige zur Zielscheibe wird
Wir leben heute in einer Welt, in der vieles entzaubert worden ist. Sakralität – das Gespür für das Unverfügbare, das Ehrfurcht verlangt – scheint zunehmend aus dem öffentlichen Bewusstsein zu verschwinden. Was einst als heilig galt – und es heute noch ist – wird jedoch oft nur noch als bloße Kulisse wahrgenommen. Kirchen sind für manche nur noch architektonische Sehenswürdigkeiten, und Liturgien folkloristische Akte.
Doch wer das Heilige verachtet oder bewusst entweiht, richtet nicht nur Schaden an einem Ort oder Gegenstand an. Es zeigt, dass eine wichtige Fähigkeit verloren geht: die Fähigkeit, Ehrfurcht zu empfinden, sich einer höheren Wirklichkeit anzuvertrauen, innezuhalten und zu sagen: Hier ist etwas, das größer ist als ich.
Was wir in Rom erleben mussten, war nicht der erste Angriff auf das Heilige – und er wird nicht der letzte sein. Schon im Februar entweihte ein anderer Mann denselben Altar, indem er sechs Kerzenleuchter zu Boden warf. Es entsteht der Eindruck, als seien Tabubrüche wie diese längst salonfähig geworden. Provokation ersetzt Respekt. Zerstörung ersetzt Ehrfurcht.
Empörung ist nicht genug
Die berechtigte Empörung der Gläubigen darf uns jedoch nicht in bloßer Fassungslosigkeit verharren lassen. Vielmehr müssen wir uns selbst fragen: Wie gehen wir – als Kirche, als Gemeinschaft – mit dem Verlust des Respekts vor dem Heiligen um? Doch nicht nur die Gläubigen sind hier gefordert – auch die Gesellschaft ist aufgerufen, sich auf den wahren Wert des Heiligen zurückzubesinnen.
Es genügt nicht, den moralischen Zeigefinger zu heben. Es braucht eine Rückbesinnung: darauf, was wir selbst als heilig anerkennen – und wie wir dieses Heilige leben, schützen und bezeugen. Das bedeutet, unsere Kirchenräume nicht nur als Gebäude, sondern als Orte der Gottesbegegnung zu behandeln. Unsere Liturgie nicht nur als Pflicht, sondern als Geschenk zu betrachten. Unseren Glauben nicht nur als Meinung, sondern als Weg der Hingabe.
Wenn die heutige Kultur das Heilige nicht mehr zu würdigen scheint, liegt es an uns, das Heilige umso deutlicher sichtbar zu machen – durch Schönheit, Würde und ein Leben, das den Glauben nicht verbirgt, sondern bezeugt. Vielleicht liegt gerade in diesen schmerzlichen Momenten ein Anruf an uns alle: Nicht das Heilige aufzugeben – sondern es neu zu bekennen und zu verkünden.