Beim Angelusgebet am Sonntag ermutigte Papst Leo die Gläubigen, das Vaterunser neu zu entdecken – ein Gebet, das Liebe und Verantwortung miteinander verbindet. Wer Gott mit dem vertrauten Wort „Vater“ anspricht, wird eingeladen, sich als geliebtes Kind Gottes bewusst zu werden und diese Liebe durch Barmherzigkeit sowie aktive Nächstenliebe weiterzugeben. Zum ersten Mal seit seiner Rückkehr aus Castel Gandolfo, wo er sich rund zwei Wochen zur Erholung aufgehalten hatte, betete der Papst den Angelus wieder am Fenster des Apostolischen Palastes mit Blick auf den Petersplatz.
Vaterunser vereint alle Christen
Im Zentrum der Botschaft des Papstes stand die Passage aus dem Sonntagsevangelium des 17. Sonntags im Jahreskreis (vgl. Lk 11,1–13). Dort lehrt Jesus seine Jünger das Vaterunser – ein Gebet, das Christen nicht nur durch Worte, sondern auch durch eine Haltung des Vertrauens und der Zugehörigkeit verbindet. Je mehr Vertrauen wir im Gebet zum Vater im Himmel aufbringen, desto tiefer werde uns bewusst, dass wir seine geliebten Kinder sind – und umso stärker lasse sich seine Liebe erfahren, betonte Papst Leo in seiner Ansprache.
Jesus lade uns ein, Gott mit dem vertrauten Wort „Abba“ anzusprechen – ein aramäischer Ausdruck, der so viel bedeutet wie „Papa“, erklärte der Papst weiter. Diese kindliche Anrede sei jedoch weit mehr als ein gefühlsbetontes Detail: Sie bringe eine tiefe geistliche Wahrheit zum Ausdruck – wir sind eingeladen, uns Gott in Einfachheit, Vertrauen und mit der Gewissheit zu nähern, dass wir seine geliebten Kinder sind.
Das sage nicht nur viel über unsere Gotteskindschaft aus, sondern auch über die Vaterschaft Gottes, unterstrich der Papst und verwies auf das Sonntagsevangelium, das die „Wesenszüge der Vaterschaft Gottes durch einige anschauliche Bilder“ beschreibe – etwa das eines Mannes, der mitten in der Nacht aufsteht, um einem Freund zu helfen, einen unerwarteten Besucher zu empfangen, oder das eines Elternteils, das darauf achtet, seinen Kindern etwas Gutes zu geben.
„Der Herr erhört uns immer“
Eine zentrale Botschaft des Evangeliums sei, so der Papst, dass Gott nie zögere, uns zu helfen. Gott wende sich uns nie ab – selbst dann nicht, „wenn wir spät an seine Tür klopfen – nach Fehlern, verpassten Gelegenheiten oder Scheitern“. Der Herr erhöre uns immer, wenn wir zu ihm beten, betonte der Pontifex. Und wenn er uns manchmal erst nach einiger Zeit und auf Weisen antworte, die schwer zu verstehen seien, dann deshalb, weil er mit einer größeren Weisheit und Vorsehung handle, die wir nicht begreifen könnten. In solchen Momenten sei es wichtig, nicht aufzuhören, mit Zuversicht zu beten. „In ihm werden wir immer Licht und Kraft finden“, so das Kirchenoberhaupt.
Doch das Gebet nehme auch uns selbst in die Verantwortung, fuhr Leo mit Blick auf das Vaterunser fort. Denn wer Gott „Vater“ nenne, müsse bereit sein, sich auch selbst wie ein Sohn oder eine Tochter zu verhalten. Dazu gehöre es auch, die anderen als Brüder und Schwestern zu lieben.
„Wir können nicht zu Gott als ‚Vater‘ beten und dann anderen gegenüber hart und gefühllos sein. Vielmehr ist es wichtig, dass wir uns von seiner Güte, seiner Geduld, seiner Barmherzigkeit verwandeln lassen, damit wir sein Antlitz in dem unseren wie ein Spiegel reflektieren“, zitierte Papst Leo den heiligen Cyprian. Dann kam der Papst zum Kern seiner Botschaft: Wer betet, solle nicht nur empfangen, sondern auch weitergeben, so Leo.
Abschließend wandte er sich direkt an die Gläubigen:
„Liebe Brüder und Schwestern, die heutige Liturgie lädt uns durch das Gebet und die Nächstenliebe ein, uns sowohl geliebt zu fühlen als auch selbst so zu lieben, wie Gott uns liebt: mit Verfügbarkeit, Feingefühl, gegenseitiger Fürsorge – ohne Berechnung. Bitten wir Maria, dass sie uns hilft, auf diesen Ruf zu antworten, damit wir die Güte des Antlitzes des Vaters offenbaren.“