In der dunklen Jahreszeit, wenn die Tage kürzer und die Nächte kälter werden, scheint das Gedenken an den heiligen Martin wie ein warmes Licht durch unsere Zeit. Seine Geschichte ist mehr als eine bloße Legende, denn sie ist ein zeitloses Beispiel gelebter Nächstenliebe. Sein Vorbild kann uns auch heute noch berühren und zur tätigen Nächstenliebe bewegen.
Vom Soldaten zum Bischof: Die Geschichte des heiligen Martin
Martin wurde im Jahr 316 oder 317 nach Christus im heutigen Ungarn geboren. Sein Weg führte ihn, wie den seines Vaters, in die römische Armee, wo er unter Kaiser Konstantin diente. Doch mit nur 17 Jahren tat er etwas, das man nicht von einem römischen Soldaten erwartet hätte und das sein Leben verändern sollte.
An einem kalten Wintertag ritt Martin durch die Stadt Amiens im heutigen Frankreich. Dort, am Stadttor, bemerkte er einen frierenden Bettler, der kaum Kleidung am Leib hatte. Ohne zu zögern zog Martin sein Schwert – nicht, um zu kämpfen, sondern um zu helfen. Er teilte seinen schweren, warmen Mantel in zwei Hälften und reichte dem Bettler die eine davon. Was dabei oft übersehen wird: Dieser Mantel war nicht irgendein Teil der Uniform der römischen Armee, sondern Martins persönlicher Besitz. Und dennoch teilte er ihn – aus Mitgefühl, aus Nächstenliebe.
In dieser Nacht erschien ihm Jesus Christus mit jener Mantelhälfte, die Martin dem Bettler gegeben hatte, im Traum. Für Martin war dieses Erlebnis ein Wendepunkt. Er ließ sich taufen, verließ das Militär und gründete eines der frühesten Klöster in Gallien, um Mönch zu werden. Bis heute besteht das Kloster als Benediktinerabtei.
Die Menschen der Stadt Tours wünschten sich den heiligen Martin als ihren Bischof. Doch Martin fühlte sich zunächst der Aufgabe nicht gewachsen, ließ sich jedoch überzeugen und wurde der Bischof von Tours. Auch hier verbrachte er sein Leben in Demut und Bescheidenheit. Er lebte nicht im Bischofspalast, sondern in einer einfachen Holzhütte vor den Toren der Stadt.
Ein Vorbild in unserer Zeit
St. Martin ist nicht nur der Schutzpatron der Bettler und Armen, sondern auch der Reisenden, Reiter, Soldaten, Waffenschmiede und Haustiere. Viel mehr ist er ein eindrucksvolles Beispiel und Vorbild für gelebte Nächstenliebe. Und noch wichtiger: Das Teilen des Mantels ist ein lebendiges Zeugnis der göttlichen Barmherzigkeit, die keinen Menschen vergisst oder ausschließt.
Der heilige Martin erinnert uns daran, wie wir im Dienst an den Armen und Ausgegrenzten Christus selbst begegnen. Besonders in einer Welt, die oft von Gleichgültigkeit, Egoismus und Konsumverhalten geprägt ist, ruft uns das Beispiel des heiligen Martin zur tätigen Nächstenliebe auf – zu einer Liebe, die nicht in bloßen Worten, sondern in konkretem Handeln sichtbar wird.
Inmitten der Herausforderungen unserer Zeit lädt uns das Wirken des jungen Soldaten dazu ein, die Armen und Schwachen nicht zu übersehen. Besonders in dieser Jahreszeit, die für viele Menschen eine große Herausforderung darstellt und in der die Sehnsucht nach Wärme und Geborgenheit groß ist, ruft uns Martins Lebenszeugnis zu, ein Licht der Hoffnung zu entzünden.
Auch heute haben wir viele Möglichkeiten, unserem Nächsten in Demut und Liebe zu begegnen: sei es in unserer Zeit, die wir einem einsamen Nachbarn schenken, im Engagement für Bedürftige und Geflüchtete oder im stillen Dienst an Kranken und Alten. Nehmen wir uns den heiligen Martin zum Vorbild und teilen auch wir unseren Mantel.
