In Schleswig-Holstein wurde eine Vereinbarung getroffen, die auf den ersten Blick klein wirkt – und doch eine große Bedeutung in sich trägt: Musliminnen und Muslime können künftig an wichtigen Festtagen wie dem Beginn des Ramadan oder dem Opferfest einen Urlaubstag beantragen oder im Falle von Schülerinnen und Schülern entschuldigt fehlen.
Kein zusätzlicher staatlicher Feiertag, kein Bruch mit dem christlich geprägten Kalender – und doch ein starkes Zeichen.
Mehr als nur ein Urlaubstag
Wer genauer hinsieht, erkennt: Es geht hier weniger um „freie Tage“ im eigentlichen Sinn, sondern um Anerkennung. Anerkennung dafür, dass in einer pluralen Gesellschaft nicht nur Weihnachten und Ostern von Bedeutung sind, sondern auch die Feste anderer Glaubensgemeinschaften.
Für die Muslime in Schleswig-Holstein heißt das: Ihr Glaube ist sichtbar, nicht nur privat, sondern auch in der gesellschaftlichen Ordnung. Und für die Mehrheitsgesellschaft ist es eine Einladung, zu begreifen: Religiosität ist vielfältig – und sie verdient Respekt.
Kein Sonderrecht, sondern Gerechtigkeit
Manche mögen nun fragen: Werden hier Privilegien geschaffen? Die Antwort ist schlicht: Nein.
• Christen haben gesetzliche Feiertage, die tief in der Tradition des Landes verwurzelt sind.
• Jüdinnen und Juden, Muslime oder Angehörige anderer Religionen haben diese Möglichkeit bisher kaum.
Das neue Abkommen in Schleswig-Holstein macht lediglich deutlich, dass auch sie in Würde und Selbstverständlichkeit ihre Feste begehen können. Es ist kein Vorteil, sondern ein Schritt zu gerechterem Ausgleich.
Andere Bundesländer wie Hamburg, Berlin, Hessen oder Nordrhein-Westfalen kennen bereits ähnliche Regelungen. Dass nun auch Schleswig-Holstein nachzieht, ist ein Zeichen der Zeit.
Theologische Deutung: Einheit in Verschiedenheit
Für uns Christen ist dieses Thema mehr als ein politischer Beschluss. Es ist eine geistliche Erinnerung:
„Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden“ (Röm 12,15).
Wenn wir lernen, die Freude anderer Glaubensgeschwister zu achten, wenn wir ihre Feste respektieren, dann tragen wir dazu bei, dass unsere Gesellschaft nicht im Nebeneinander, sondern im Miteinander lebt.
Natürlich bleibt der christliche Glaube die Grundlage unserer Kultur. Aber wahre Stärke zeigt sich nicht im Ausschluss, sondern in der Offenheit: Wer sich seiner Identität sicher ist, kann großzügig sein.
Zwischen Ramadan und Weihnachten
Vielleicht liegt gerade in dieser Regelung eine Chance: Muslime feiern ihre Feste, Christen ihre – und beide erkennen an, dass der andere aus seiner Spiritualität Kraft schöpft.
So entsteht eine Kultur, in der religiöse Praxis nicht zum Hindernis, sondern zum Reichtum wird. Ein Land, in dem Kinder selbstverständlich erklären: „Ich gehe heute nicht zur Schule, weil mein Fest ist“ – und die anderen Kinder neugierig nachfragen und lernen.
Ein prophetisches Zeichen
Der Vertrag zwischen dem Bildungsministerium und dem Landesverband der Islamischen Kulturzentren ist rechtlich betrachtet klein, symbolisch jedoch groß. Er sagt: Ihr gehört dazu. Eure Feste sind ein Teil unseres gemeinsamen Lebens.
Und er ruft uns Christen in Erinnerung: Auch wir haben einst in einer Gesellschaft gelebt, in der wir Minderheit waren. Auch wir haben gelernt, dass Glaube Anerkennung und Schutz braucht.
Heute ist es an uns, den gleichen Respekt weiterzugeben.
Fazit: Ein Auftrag an uns alle
Die neuen freien Tage für Muslime in Schleswig-Holstein sind kein Angriff auf christliche Feiertage, sondern eine Einladung zu einer Kultur der Anerkennung.
Sie erinnern uns daran, dass Religiosität nicht ins Private verdrängt werden darf, sondern Ausdruck einer lebendigen Gesellschaft ist. Und sie fordern uns auf, neu zu fragen: Wie können wir als Christen das Evangelium leben – nicht gegen andere, sondern im ehrlichen Dialog mit ihnen?
Vielleicht ist das die größte Botschaft dieser Entscheidung: Dass wir lernen, im Anderen nicht zuerst die Differenz zu sehen, sondern die Würde.