StartWeltReligionsunterricht in Polen um die Hälfte reduziert?

Religionsunterricht in Polen um die Hälfte reduziert?

Nach der Aufregung um das Beichtverbot für Kinder und Jugendliche gibt es nun die nächste religiöse Streitfrage in Polen. So soll das Fach Religion nach dem Wunsch der liberalen Bildungsministerin Barbara Nowacka ab dem nächsten Schuljahr nur noch in halbem Umfang unterrichtet werden. Dafür unterzeichnete sie am Freitag eine Verordnung, in der geschrieben steht, dass der Religionsunterricht auf eine Stunde pro Woche gekürzt wird, statt wie bisher zwei Stunden. In einer weiteren Änderung soll die Religionslehre nur noch als Wahlfach angeboten werden. Die polnische Bischofskonferenz kündigte in der Zwischenzeit an, die Verordnung der Bildungsministerin überprüfen zu lassen.

Gesunder Menschenverstand?

Es gehe bei dieser Verordnung nicht nur um die Umsetzung eines Wahlversprechens, erklärte die Bildungsministerin in einer Videobotschaft. Bei der Kürzung des Religionsunterrichts gehe es vor allem um den „gesunden Menschenverstand“. Mit einem Blick auf den Stundenplan der Schülerinnen und Schüler bekämen diese mehr Religionsstunden als Unterrichtsstunden in Biologie, Chemie, Physik, Gesellschaftskunde und Sicherheitserziehung zusammen. Das sollte sich nach der Meinung der Bildungsministerin ändern. Die Schule solle bestmöglich unterrichten „und auf die Zukunft vorbereiten, auch die berufliche“, so Nowacka.

Fraglich ist allerdings, ob die Ministerin die Religionsstunden ohne Zusimmung der katholischen Kirche herabsetzen darf. Hintergrund dieser Streitfrage ist ein Abkommen zwischen Polen und dem Vatikan. Hierin wurde festgelegt, dass die katholische Kirche in bestimmten Gesetzesfragen Mitspracherecht habe. Anfang Dezember kündigte sie rechtliche Schritte für den Fall an, dass sich Ministerpräsident Donald Tusk und dessen Mitte-links-Regierung nicht an diese Vorschriften hielten. Der Besuch des Religionsunterrichts in Polen ist freiwillig. Weiterhin plant die Verordnung, die Religionsstunde an allen öffentlichen Bildungseinrichtungen mit Ausnahme der Grundschulen als Wahlfach entweder in der ersten oder der letzten Stunde am Tag zu platzieren. So könnte verhindert werden, dass nicht teilnehmende Schülerinnen und Schüler später zum Unterricht kommen oder früher nach Hause gehen können.

Bischöfe möchte mehr Religionsunterricht

Widerspruch gegen die Verordnung kommt aus der katholischen Kirche. Die Bischöfe bestanden in den Gesprächen mit der Regierung darauf, dass es an Grundschulen weiterhin zwei Religionsstunden in der Woche gebe. Anders reagierte die katholische Bischofskonferenz bei weiterführenden Schulen. Hier forderten sie nicht wie bisher unbedingt zwei Wochenstunden. Allerdings plädierten sie darauf, dass die Schüler entweder den Religions- oder Ethikunterricht besuchen müssen. Dieser Vorschlag stieß bei der Bildungsministerin Nowacka auf Ablehnung. Auch wenn beide Fächer bisher freiwillig waren, wird der Ethikunterricht oft nicht angeboten.

Da der Religionsunterricht in Polen ein Wahlfach ist, können die Schüler selbst entscheiden, ob sie daran teilnehmen. In den vergangenen Jahren ging die Teilnehmerzahl des Religionsunterrichts stark zurück. Besonders deutlich wird der Rückgang in höheren Klassenstufen und in Großstädten. Hier entscheidet sich die Mehrheit der Schüler gegen eine Teilnahme am Religionsunterricht. Nach Angaben der Bischofskonferenz sank die Zahl der Schülerinnen und Schüler in den Religionsstunden im Schuljahr 2023/24 auf 79 Prozent, während zwei Jahre zuvor noch 82 Prozent der Kinder und Jugendlichen teilnahmen. Gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) kündigte ein Sprecher der polnischen Bischofskonferenz eine Überprüfung der Verordnung der Bildungsministerin an.

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