Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Diesem Vorwurf sehen sich Israels Regierungschef Benyamin Netanjahu, der ehemalige israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant sowie der Anführer Al-Masri und Mitglieder der Terrororganisation Hamas ausgesetzt. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag erließ aufgrund des Gaza-Konflikts einen Haftbefehl und macht sie zu international gesuchten Verdächtigen. Die Vorverfahrenskammer des Gerichtshofs ist zu dem Entschluss gekommen, dass „absichtlich und wissentlich überlebenswichtige Güter vorenthalten“ wurden, erklärte das Gremium, das aus drei unabhängigen Richtern besteht. Dies war die Entscheidung zum Erlass des Haftbefehls.
Israel wehrt sich gegen den Vorwurf
Während Israel angibt, den Hamas-Anführer Al-Masri bei einem Luftangriff getötet zu haben, gibt es vonseiten der Hamas keine Bestätigung zum Tod des gemeinhin als „Deif“ bekannten Anführers. Sollte sich der Tod bestätigen lassen, würde Al-Masri wie weitere Hamas-Führer von der Liste der Gesuchten gestrichen werden. Der Haftbefehl gegen Israels Premierminister Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Gallant wurde mit der Entscheidung des Strafgerichtshofs erlassen. Israels führende Politiker wehren sich gegen den Vorwurf der Richter. Diese sehen „hinreichende Gründe für die Annahme“, dass beide Politiker „absichtlich und wissentlich überlebenswichtige Güter“ aus Lieferungen in den Gazastreifen vorenthalten hätten. Dort fehlt es nach Aussagen der verantwortlichen Richter an Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten, medizinischer Versorgung sowie Treibstoff und Strom.
Der Sprecher des israelischen Premierministers gab an, dass es „keinen gerechtfertigteren Krieg“ gebe als den, den Israel „nach den Angriffen vom 7. Oktober in Gaza führt“. Israels Politiker bezeichnen das Gerichtsurteil und den erlassenen Haftbefehl als „beschämend und antisemitisch“. Bereits am 20. Mai hatte der Chefankläger des IStGH, Karim Khan, den Haftbefehl gegen die Befehlsgeber beantragt. Auch wenn es nicht der Zustimmung des Gerichts in Israel bedarf, um den Straferlass durchzusetzen, ist es unwahrscheinlich, dass einer der Beschuldigten in naher Zukunft dem Gericht in Den Haag gegenübersteht. Denn der Strafgerichtshof verfügt nicht über eine eigene Polizei, die die Haftbefehle vollstreckt. Deshalb ist er auf die Mithilfe der Mitgliedsstaaten angewiesen.
Haftbefehl sorgt für international gemischte Gefühle
Die israelische Regierung kritisiert den erlassenen Haftbefehl vehement. Hierbei bekommt sie Unterstützung von ihren Partnern, insbesondere aus den USA. Noch am Donnerstag, dem Tag der Gerichtsentscheidung, starben bei einem Luftangriff mindestens 22 Menschen im Ostlibanon, in der Region Baalbek. Am selben Abend trafen sich Israels Verteidigungsminister Israel Katz, der Stabschef der israelischen Streitkräfte (IDF), Herzi Halevi, und der US-Gesandte Amos Hochstein in Tel Aviv. Der US-Gesandte soll in den Gebieten einen Waffenstillstand zwischen den Parteien vermitteln.
Zustimmung für den erlassenen Haftbefehl kam unter anderem von der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem. Weiter stimmten vor allem der Iran und die Palästinensische Autonomiebehörde der Strafverfolgung zu. Die deutsche Bundesregierung reagierte zunächst nicht auf die Entscheidung. Zwar betont sie immer wieder das Recht der Selbstverteidigung Israels nach dem verheerenden Angriff am 7. Oktober 2023. Dennoch drückt sie auch die Sorge über die Missachtung internationalen Rechts und die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen aus. Seit Beginn des Krieges wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums im Gazastreifen mehr als 44.000 Menschen getötet und über 100.000 verletzt. Einige freigelassene Geiseln empfing Papst Franziskus zu einem emotionalen Gespräch.