Das Bistum Aachen plädierte in einem vor Gericht verhandelten Missbrauchsfall auf Verjährung – und bekam Recht. Diese Tatsache sorgt für Missmut, weshalb der Betroffenenrat des Bistums Aachen eine Protestbewegung ins Leben ruft. Dieser Protest richtet sich gegen das Bistum Aachen, das in einem Schmerzensgeldprozess auf Verjährung plädierte. Am 18. November soll eine Demonstration unter dem Motto „Ein Grund zum Schämen“ auf dem Münsterplatz stattfinden.
Was wurde vor Gericht verhandelt?
Im Juli wurden vor dem Landgericht Aachen zwei Missbrauchsfälle verhandelt. Einer wurde abgewiesen, da man die Tat der Diözese nicht zuordnen konnte. Der zweite Fall, der große Aufmerksamkeit erregte, wurde ebenfalls wegen Verjährung abgewiesen. In diesem Schmerzensgeldprozess wirft ein heute 60-jähriger Mann zwei Priestern sexuellen Missbrauch während seiner Zeit als Messdiener vor und fordert 600.000 Euro Schmerzensgeld. Eine Vergleichszahlung in Höhe von 190.000 Euro schlug das Bistum Aachen aus. In einem ähnlichen Fall erhielt ein Mann, der als Messdiener missbraucht wurde, vom Landgericht Köln eine Zahlung von 300.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Seither wurden einige Schmerzensgeldklagen gegen diverse Bistümer eingereicht.
Beide Kläger wollen in Berufung gehen und haben beim Oberlandesgericht Prozesskostenhilfe beantragt. Bei diesem Antrag wird zunächst die finanzielle Situation des Klägers sowie die Erfolgsaussichten in einer weiteren Verhandlung überprüft. Der 60-Jährige, der Erwerbsminderungsrente bezieht, hat zudem im Internet auf der Webseite „gofundme.com“ eine Spendenkampagne ins Leben gerufen. Die Kampagne läuft unter dem Titel „Gerechtigkeit für alle Missbrauchsopfer der katholischen Kirche“. Er bittet um finanzielle Unterstützung für den weiteren Prozessverlauf. Bei der Verhandlung geht es ihm vor allem um die Frage, ob sich ein Bistum auf Verjährung berufen darf.
Im zweiten Fall, dem in der ersten Instanz aufgrund fehlender Grundlage der Amtshaftung des Bistums nicht stattgegeben wurde, forderte der Betroffene 320.000 Euro Schmerzensgeld. Er klagte gegen einen Religionslehrer, der als Kaplan tätig war und ihn im Nachhilfeunterricht als 17-jährigen Schüler sexuell missbraucht haben soll. Da die Tat in seiner öffentlichen Position im Schulwesen geschah, liegt die Verantwortung beim Staat.
Bistum Aachen als negatives Beispiel für andere Diözesen?
Der Betroffenenrat, der zu der Protestbewegung aufruft, kritisiert die Einrede der Verjährung und warnt davor, dass weitere Bistümer diesem Beispiel folgen könnten. Nach einer Mitteilung des Betroffenenrates bedauern sie die Einrede der Verjährung, da Bischof Helmut Dieser in „mehreren Gesprächen“ die Betroffenen zur Klage ermutigt hatte. Zudem teilte er ihnen mit, dass auf die Einrede der Verjährung verzichtet werden würde, so der Rat. Der Betroffenenrat wird von dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD) unterstütz. Auch die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) und die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) in beteiligen sich an der Bewegung.