Die Hungerkrise in Gaza erreicht mit jeder Stunde einen weiteren dramatischen Tiefpunkt. Tausende Menschen suchen inmitten der Gewalt verzweifelt nach Lebensmitteln. Es ist ein Kampf ums Überleben, den besonders Kinder führen müssen. Immer mehr Kinder in Gaza-Stadt sind unterernährt, das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps, und der Hunger fordert bereits Todesopfer – so warnen die Vereinten Nationen. In eindringlichen Worten schildert der Generalkommissar der United Nations Relief and Works Agency (UNRWA), Philippe Lazzarini, die katastrophalen Zustände vor Ort – von Eltern, die zu schwach sind, um sich um ihre Kinder zu kümmern, bis hin zu Gesundheitspersonal, das selbst hungert. Auch der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, berichtet nach einem Besuch erschüttert von der humanitären Krise.
Hungerkrise in Gaza spitzt sich dramatisch zu – jedes fünfte Kind unterernährt
Wie die humanitäre Organisation UNRWA berichtet, ist jedes fünfte Kind in Gaza-Stadt unterernährt – Tendenz steigend. In einem Beitrag auf der Social-Media-Plattform X warnte Philippe Lazzarini, dass sich eine Hungersnot leise und unaufhaltsam ausbreite, wenn immer mehr Kinder unterernährt seien, die letzten Bewältigungsmechanismen zusammenbrechen und der Zugang zu Nahrung und Versorgung zunehmend versperrt werde. UNRWA fordert humanitäre Partner auf, „uneingeschränkte und ununterbrochene humanitäre Hilfe nach Gaza zu bringen“. Inzwischen seien über 100 Menschen – die überwiegende Mehrheit von ihnen Kinder – an Hunger gestorben.
Einige Menschen in Gaza seien „weder tot noch lebendig“. Sie seien „wandelnde Leichen“, so Lazzarini. Er betonte, dass die Kinder „abgemagert, schwach und einem hohen Risiko ausgesetzt sind zu sterben, wenn sie nicht die Behandlung erhalten, die sie dringend benötigen“. Auch die Eltern seien zu hungrig, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Familien brächen zusammen und könnten nicht mehr überleben, schildert der Generalkommissar. Viele derjenigen, die noch UNRWA-Kliniken erreichen, hätten weder die Energie noch die Mittel, um dem medizinischen Rat zu folgen.
Lazzarini warnt: „Diese sich verschärfende Krise betrifft alle – auch jene, die versuchen, in der vom Krieg zerrütteten Enklave Leben zu retten.“ Selbst das Gesundheitspersonal überlebe oft nur mit einer kleinen Mahlzeit am Tag – „wenn überhaupt“. Da sie selbst nicht genug zu essen hätten, breche das gesamte humanitäre System zusammen.
Kardinal Pizzaballa: Mit gebrochenem Herzen und ermutigt durch das Zeugnis der Menschen
„Wir haben es gesehen“, betonte der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, bei einer Pressekonferenz nach seinem Besuch in Gaza. Stundenlang hätten Männer in der Hoffnung auf eine einfache Mahlzeit in der Sonne ausgeharrt. Das sei eine Demütigung, „die schwer zu ertragen ist, wenn man sie mit eigenen Augen sieht“, so der Kardinal. Moralisch sei die Situation inakzeptabel und nicht zu rechtfertigen. Gemeinsam mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Theophilos III. sei er mit gebrochenem Herzen, aber auch „ermutigt durch das Zeugnis vieler Menschen, denen wir begegnet sind“, aus Gaza zurückgekehrt.
Sie hätten einen Ort der Verwüstung, aber auch der tiefen Menschlichkeit betreten, so Pizzaballa weiter. „Wir liefen durch den Staub der Trümmer, vorbei an eingestürzten Gebäuden und Zelten überall: in Innenhöfen, Gassen, auf den Straßen und am Strand – Zelte, die zu Heimen für diejenigen geworden sind, die alles verloren haben.“ Inmitten von Familien, die die Tage des Exils nicht mehr zählen konnten, weil sie keinen Horizont für eine Rückkehr sahen, spielten Kinder – ohne mit der Wimper zu zucken. Sie seien bereits an den Lärm der Bombenangriffe gewöhnt, beschreibt der Kardinal die Lage vor Ort.
Humanitäre Hilfe – „eine Frage von Leben und Tod“
Und dennoch fanden sie inmitten dieser dramatischen Lage etwas, „das tiefer ist als die Zerstörung: die Würde des menschlichen Geistes“. Während des Besuchs trafen sie Mütter, die Essen für andere zubereiteten, Krankenschwestern, die Wunden mit Sanftmut behandelten, und Menschen aller Glaubensrichtungen, die immer noch zu Gott beteten – „der sieht und niemals vergisst“.
In dieser Situation sei humanitäre Hilfe nicht nur notwendig – „sie ist eine Frage von Leben und Tod“, warnt der Kardinal eindringlich. Die Verweigerung von Hilfslieferungen sei kein Aufschub, sondern eine Verurteilung. „Jede Stunde ohne Nahrung, Wasser, Medizin und Unterkunft verursacht großen Schaden.“ Als Hirten der Kirche im Heiligen Land erneuere man das Engagement für einen gerechten Frieden, für bedingungslose Würde und für eine Liebe, „die alle Grenzen überwindet“, so Kardinal Pizzaballa abschließend.