Nach der Verhandlungsphase liegt der Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung aus Union und SPD vor. Aus katholischer Sicht ist das Koalitionspapier überwiegend positiv zu bewerten. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) erkennt darin „mehr innere Sicherheit, Wirtschaftsförderung und Investitionen in eine gerechte und vielfältige Gesellschaft“, erklärte die Präsidentin Irme Stetter-Karp. Besonders würdigte Stetter-Karp das Tempo, in dem sich CDU, CSU und SPD einigen konnten. Kritik erfährt das Dokument jedoch im Hinblick auf die Migrationspolitik und die Abschaffung des Lieferkettengesetzes. Auch Kirchen und Religion kommen nur am Rande zur Sprache.
Entwicklungsministerium bleibt bestehen
ZdK-Präsidentin Stetter-Karp sieht in den deutlichen Investitionen in die Verteidigung ein klares Signal für eine wehrhafte Demokratie. Besonders, dass die Parteien weiterhin auf eine Freiwilligenarmee setzen, sei ein Zeichen dafür, „dass sie auf eine breite Akzeptanz ihrer Verteidigungspolitik in der Bevölkerung setzen“. Zudem hob Stetter-Karp positiv hervor, dass sich die Parteien der gesellschaftlichen Demokratieförderung widmen. Um Europa zu stärken, müsse man die Stärke der Demokratie zeigen. „Das setzt sich im Koalitionspapier um“, so Stetter-Karp, die sich auch über den Fortbestand des Entwicklungsministeriums freut.
Zunächst war unklar gewesen, ob das Entwicklungsministerium in seiner aktuellen Form bestehen bleibt oder ob es mit den Aufgaben des Außenministeriums verschmilzt. „Wir waren deutlich dagegen, Außenministerium und Entwicklungsministerium zusammenzufassen“, betonte Stetter-Karp. Nun sei sie erleichtert, dass dies nicht der Fall sei. Union und SPD einigten sich darauf, eine bessere Zusammenarbeit zwischen dem Außen- und dem Entwicklungsministerium anzustreben.
Koalitionsvertrag mit Licht und Schatten
Kritik erhält der Koalitionsvertrag allerdings aufgrund der scharfen Migrationspolitik. Als ZdK lehne man die Pläne des zukünftigen Kanzlers ab, heißt es in der Stellungnahme dazu. Der künftige Kanzler spreche von einer Rückführungsoffensive, „dem Ende aller freiwilligen Aufnahmeprogramme und von einem Aussetzen des Familiennachzugs“. Das seien keine Botschaften eines Einwanderungslandes, kritisiert das Zentralkomitee.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die geplante Abschaffung des Lieferkettengesetzes. Dieser Punkt im Koalitionspapier sei „keine Zukunftsmarke“, warnt Stetter-Karp. Das deutsche Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden zur Einhaltung bestimmter Sorgfaltspflichten. Die Koalitionspartner einigten sich nun allerdings darauf, diese durch eine „bürokratiearme und vollzugsfreundliche“ Regelung zu ersetzen.
Streitpunkt Rüstungspolitik
Die Rüstungspolitik der künftigen Regierung bekommt Gegenwind von Friedensorganisationen in Deutschland. Organisationen wie „Pax Christi“ stellen sich gegen die Pläne zur Ausfuhr von Waffen und anderen Rüstungsgütern. Sie kritisieren, dass die Koalitionspartner betonen, die Rüstungsexporte auch an Interessen der Wirtschaftspolitik ausrichten zu wollen. Die Ausfuhren sollten jedoch strenger überwacht werden. Die katholische Friedensbewegung Pax Christi betont, dass die Bundesregierung auch eine Verantwortung für die Menschen habe, „die potenziell Opfer deutscher Rüstungsgüter im Ausland“ seien. Oberste Priorität müsse die Vermeidung von Leid und nicht die Vermehrung von Profit sein, warnte Gerald König, der Bundesvorsitzende von Pax Christi und Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“.
CDU, CSU und SPD erklären dazu, dass sie eine strategisch ausgerichtete Rüstungsexportpolitik vorantreiben wollen. Diese gebe der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, ihren ausländischen Partnern sowie ihren Kunden Verlässlichkeit. Zwar betonen Union und SPD, dass sie Exporte, aus denen ein konkretes Risiko zur inneren Repression oder zur Verletzung des Völkerrechts hervorgeht, grundsätzlich ablehnen, doch diese Formulierung ist der Friedensinitiative nicht ausreichend. Der Gemeinsame Standpunkt der EU sowie der Waffenhandelsvertrag ATT sehen in den genannten Fällen ein absolutes Exportverbot vor.
Kaum Beachtung für Kirchen im Koalitionsvertrag
Mit Blick auf humanitäre Hilfe und Krisenprävention kündigen Union und SPD eine zuverlässige Finanzierung an. Nach Angaben der Diakonie Katastrophenhilfe soll sich die Höhe der Mittel am Niveau von 2023 orientieren. Damals stellte Deutschland 2,7 Milliarden Euro bereit. Nach direkten Aussagen zu den Kirchen sucht man in dem Koalitionsvertrag jedoch vergeblich. Zu finden ist lediglich eine allgemeine Äußerung: „Kirchen und Religionsgemeinschaften leisten einen unverzichtbaren Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Gemeinwohl. Wir fördern den interreligiösen Dialog und schützen die Religions- und Weltanschauungsfreiheit.“
Weiterhin soll es das Amt eines Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religions- und Weltanschauungsfreiheit geben. Der Schutz religiöser und weltanschaulicher Minderheiten sowie der Schutz der Christen, der weltweit am stärksten von Diskriminierung bedrohten Gruppe, sei von großer Bedeutung. Im Gegensatz zum Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung nennen SPD und Union die historischen Staatsleistungen an die Kirchen nicht. Auch eine Prüfung zur möglichen Ablösung ist im Dokument nicht zu finden. Ebenso sieht die Koalitionsvereinbarung beim eigenständigen kirchlichen Arbeitsrecht keine Änderungen vor.