Der Mitbegründer der Befreiungstheologie, Gustavo Gutiérrez, ist am Dienstag im Alter von 96 Jahren gestorben, teilten die Dominikaner von Peru auf Facebook mit. Der Theologe machte sich besonders in den 60er und 70er Jahren einen Namen, indem er sich für die Armen und soziale Gerechtigkeit einsetzte. Er forderte von der Kirche, sich aktiv für die Menschenrechte einzusetzen, und stellte sich mit der Bewegung gegen die soziale Ungerechtigkeit der 1960er Jahre, die in Lateinamerika herrschte. Mit seinem Buch „Teología de la liberación“ (Theologie der Befreiung) von 1971 schuf er einen Ansatz gegen Unterdrückung, der weit über Lateinamerika hinaus Wirkung zeigte.
Gustavo Gutiérrez: „An der Seite der Armen“
Geboren wurde Gustavo Gutiérrez Merino Díaz am 8. Juni 1928 in Peru. Mit 31 Jahren wurde der peruanische Theologe zum Priester geweiht. Bevor er sich der Theologie widmete, studierte er Medizin, Kunst, Philosophie und Psychologie. So studierte er beispielsweise an der Universität in Lima Medizin und Literatur. Theologie studierte er in Frankreich und in Belgien an der Universität Löwen. Er selbst wirkte als Professor an verschiedenen Universitäten in Europa sowie Nord- und Südamerika. Nach einem Konflikt mit dem damaligen Erzbischof von Lima, Kardinal Juan Luis Cipriani Thorne, trat er dem Dominikanerorden bei.
Im Jahr 1988 traf der Peruaner auf den deutschen Kardinal Gerhard Müller, der ihn nach seinem Tod als „großen Theologen“ würdigte. Gemeinsam veröffentlichten sie 2004 ein Buch mit dem Titel „An der Seite der Armen“. Der deutsche Kardinal war zur Zeit des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. zwischen 2012 und 2017 der Präfekt der Glaubenskongregation, die das Werk von Gutiérrez teilweise verurteilte. Am Mittwoch äußerte sich Kardinal Müller zur Befreiungstheologie. Er sieht darin keinen marxistischen Ansatz; vielmehr gehe es um die Frage, „wie wir von der Liebe Gottes sprechen können angesichts des Elends der Welt“, so Kardinal Müller.
Weiter sagte er, dass Gott selbst in Christus eine Option für die Armen getroffen habe. Mit Armut sei hier nicht das „romantische einfache Leben“ oder die „evangelischen Räte“ gemeint, sondern es gehe um die großen Probleme der „in ihrer gottgegebenen Würde verletzten Menschen“ aus den katholischen Ländern Südamerikas. Diese müssten mithilfe der „katholischen Soziallehre“ gerechtere Gesellschaftsordnungen hervorbringen. Kardinal Müller habe von der Befreiungstheologie Gutiérrez‘ gesprochen, da er selbst als Jugendlicher mit dem Mitbegründer der katholischen Soziallehre, Bischof Ketteler, vertraut gewesen sei, erklärte er sein Verständnis für das Werk.
Große Wirkung für Kirche und Gesellschaft
In seinem Werk fordert er die Kirche dazu auf, besonders für die Armen einzustehen. Für ihn war das Ausräumen sozialer Ungerechtigkeit von ebenso großer Bedeutung wie die spirituelle Befreiung. Der Ansatz beinhaltet den großen Zusammenhang zwischen Glauben und dem realen Leben. Für ihn standen das Ende der Unterdrückung und die Freiheit des „kleinen Mannes“ im Vordergrund. Der tief im Glauben verfestigte Ansatz des Peruaners stellte für die Kirche eine große Herausforderung dar. Weiter hatte sein Werk einen großen Einfluss auf das gesamte gesellschaftliche Leben und führte auch zu einer neuen Arbeitsweise vieler Geistlicher. Auf sein Werk hin befassten sich Priester, Ordensmänner, aber auch Laien mit sozialem Einsatz. Gutiérrez orientierte sich in seinem Werk an Teilen des Marxismus und nutzte diese zur Untersuchung der sozialen Benachteiligung. Dennoch machte er deutlich, dass christliche Tradition, Botschaften und die Bibel wichtige Bestandteile sozialer Befreiung sind.
Gutiérrez selbst zeigte sich gegenüber seiner Befreiungstheologie kritisch. Er beanstandete Fehler sowie Übertreibungen und setzte alles daran, diese zu korrigieren. Mit seinem Ansatz stieß er besonders in Lateinamerika auf ein offenes Ohr, wo er sich selbst häufig in Armenvierteln aufhielt. Theologie kommt „aus dem Herzen der Kirche“, so Gutiérrez. Sie soll aber auch eine Antwort auf die Realität im gesellschaftlichen Leben geben.
Lieber Gustavo,
Gott wird Sie in seine geöffneten Arme nehmen und Sie anlächeln.
Dann werden Sie wissen, was es heisst zu Hause zu sein.
Ich werde Sie im Herzen und im Gebet bewahren.
In grosser Dankbarkeit.