StartWirtschaft & PolitikDebatte um Verfassungsrichterin: Erzbischof Gössl bekräftigt Kritik

Debatte um Verfassungsrichterin: Erzbischof Gössl bekräftigt Kritik

In einem Interview mit der Welt erneuerte der Erzbischof von Bamberg, Herwig Gössl, seine Warnung davor, willkürlich über das Lebensrecht zu entscheiden. „Es gebe keine Abstufung des Lebensrechts innerhalb der vorgeburtlichen Phase“, betonte der Erzbischof. Im Streit um seine Kritik an der Richterkandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, stellte er jedoch klar, dass es ihm nie um einen persönlichen Angriff gehe, sondern um den Schutz des Lebens. Wenige Tage zuvor hatte er in einer Predigt die abtreibungsorientierte Haltung der möglichen Verfassungsrichterin als „innenpolitischen Skandal“ bezeichnet.

Haltung der Kirche in konträrer Position

Mit seiner Predigt zum Lebensschutz und der darin enthaltenen Kritik an der Richterkandidatin der SPD sorgte der Bamberger Erzbischof für großen Wirbel – insbesondere innerhalb der SPD-Fraktion. SPD-Fraktionschef Miersch wies Gössls Standpunkt, wonach die mögliche Wahl Brosius-Gersdorfs zur Verfassungsrichterin ein innenpolitischer Skandal sei, deutlich zurück. Die Kritik des Erzbischofs sei vielmehr „unchristlich“.

Im Welt-Interview bekräftigte Gössl seinen Standpunkt, dass ein festgelegter Zeitpunkt, ab dem das Lebensrecht gelte, stets willkürlich sei. Die Tatsache, dass die Juristin dem Embryo zwar ein Grundrecht auf Leben, jedoch nicht die gleiche Menschenwürde wie einem geborenen Menschen zuspricht, kommentierte der Erzbischof mit dem Hinweis, dass es keine Abstufung des Lebensrechts geben könne.

„Frau Brosius-Gersdorf schreibt ja in ihren Ausführungen, dass es um das selbstbestimmte Leben oder das selbstständige Leben des Kindes geht.“ Doch dies verändere sich mit „jedem Jahr des medizinischen Fortschritts“, warnte Gössl. Zudem hob er hervor, dass die unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Ländern keine tragfähige Grundlage für Entscheidungen über das Lebensrecht des Menschen sein könnten.

Die Wellen, die seine Predigt geschlagen habe, könne er nur schwer nachvollziehen, betonte Gössl, denn es sei klar, „dass die inhaltliche Position der katholischen Kirche zu der von Frau Brosius-Gersdorf in völlig konträrer Stellung“ stehe. Daher sei es auch nicht verwunderlich, dass er eine andere Meinung vertrete.

Erzbischof Gössl: Aktuelle Regelung ist bereits ein Kompromiss

An seiner Haltung hält der Geistliche fest: „Das Problem ist, dass in dem von Frau Brosius-Gersdorf vertretenen Konzept ein gestuftes Lebensrecht für Ungeborene angelegt ist, das sich in der Folge auch auf geborene Kinder beziehen ließe.“ Das widerspreche der Auffassung, die sowohl die katholische Kirche als auch andere Lebensschutz-Initiativen vertreten.

Gleichzeitig stellte Gössl jedoch klar, dass es ihm und seinen Bischofskollegen nicht darum gehe, gegen eine Person zu hetzen. Vielmehr gehe es ihnen ausschließlich um den Schutz des Lebens. Er sehe es als seine Verantwortung an, auch bei einem solch sensiblen Thema die Perspektive des Glaubens und die Verantwortung vor Gott zu verdeutlichen.

Gössl betonte, wie wichtig es sei, im Gespräch zu bleiben – auch wenn dies mitunter kontroverse Debatten mit sich bringe. Persönliche Angriffe auf Brosius-Gersdorf oder Diffamierungen lehne er jedoch entschieden ab. Auf die Frage, ob er sich wünsche, die Juristin möge ihre Kandidatur für das Amt der Verfassungsrichterin zurückziehen, antwortete der Geistliche: „Das wäre mir natürlich am liebsten.“ Ihm gehe es dabei jedoch nicht um die Person selbst, sondern um die von ihr vertretene Haltung.

Spielraum für Kompromisse sehe er in dieser Frage kaum. Die derzeitige Regelung zu Abtreibungen stelle bereits einen mühsam errungenen Ausgleich dar, der ohnehin nicht vollständig mit der katholischen Lehre vereinbar sei. Einer weiteren Relativierung des Lebensrechts wolle er nicht tatenlos zusehen.

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