Heute entscheidet der Deutsche Bundestag über die Neubesetzung von drei Richterposten am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die Kandidatur der liberale Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf löst bei vielen ernsthafte Bedenken aus. Die Juristin war 2024 Mitglied der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin und sprach sich für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts aus. So bereitet die mögliche Wahl Brosius-Gersdorfs unter anderem Prälat Karl Jüsten vom Katholischen Büro in Berlin große Sorge. „Wenn ein nach Entwicklungsstufe und Lebensfähigkeit des Menschen abgestuftes Lebensschutzkonzept vertreten und die Menschenwürde des ungeborenen Lebens infrage gestellt wird, bedeutet dies einen verfassungsrechtlichen Paradigmenwechsel“, betonte Jüsten gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur. Dabei warnte er, dass eine solche Entscheidung sich nicht nur auf den Schwangerschaftsabbruch beschränke, sondern weitreichende Folgen für die Schutzwürdigkeit des menschlichen Lebens insgesamt haben könne.
Richterkandidatin am Bundesverfassungsgericht mit liberaler Abtreibungshaltung
Heute steht die Wahl von drei Richterinnen und Richtern für das Bundesverfassungsgericht durch den Deutschen Bundestag an. Neben Prof. Dr. Günter Spinner (vorgeschlagen von der CDU/CSU) und Prof. Dr. Ann-Katrin Kaufhold (vorgeschlagen von der SPD) ist auch die in Teilen der Union umstrittene Kandidatin Brosius-Gersdorf nominiert. Seit 2015 ist sie stellvertretendes Mitglied des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen, seit 2016 auch Mitglied der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer. Auf Kritik stößt jedoch ein weiteres Amt, das sie bis 2024 innehatte: Brosius-Gersdorf war stellvertretende Koordinatorin der von der damaligen Bundesregierung eingesetzten Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin. In der von SPD, Grünen und FDP eingesetzten Kommission sprach sie sich klar für eine Liberalisierung der Abtreibungsregelung in Deutschland aus.
Ein ausgearbeiteter Gesetzentwurf kam in der vergangenen Wahlperiode jedoch nicht mehr zur Abstimmung. Für die Wahl zur Verfassungsrichterin ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich – ob diese zustande kommt, ist unklar.
Prälat Karl Jüsten wies darauf hin, dass die katholische Kirche wiederholt Kritik an den Empfehlungen der Kommission sowie am vorgelegten Gesetzentwurf geäußert habe. Beiden liege aus Sicht der Kirche ein tiefgreifender verfassungsrechtlicher Kurswechsel zugrunde. Eine solche Neuausrichtung, so Jüsten, berge das Risiko einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft – eine Entwicklung, der eine verantwortungsvolle Regierung, insbesondere die große Koalition aus CDU/CSU und SPD, entgegenwirken müsse.
Katholische Stimmen schlagen Alarm vor Richterwahl
Doch nicht nur das Katholische Büro blickt mit Sorge auf die bevorstehende Wahl. Auch Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), hat eine klare Haltung zur Kandidatin. Die Aussage Brosius-Gersdorfs, es gebe „gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt“, beunruhige sie zutiefst, so Stetter-Karp. „Ich würde sie aufgrund dieser Position nicht wählen können“, betont sie. Die Entscheidung verfolge sie mit großer Aufmerksamkeit, da sie „ein Zeichen für die Zukunft in unserem Land“ sei. Sie sei dankbar, dass der Lebensschutz im Grundgesetz verankert ist, denn: Menschliches Leben sei Leben von Anfang an.
Weiter bezeichnet die ZdK-Präsidentin es als inakzeptabel, dem Leben „in seinen neun Monaten im Mutterleib keine Menschenwürde zuzusprechen“. Eine Petition mit dem Titel „Keine radikale Lebensgegnerin ins Bundesverfassungsgericht: Stimmen Sie gegen Frauke Brosius-Gersdorf“ wurde bislang von rund 115.000 Menschen unterzeichnet.
Auch aus dem Kreis der Bischöfe kam bereits Kritik. Die bayerischen Bischöfe, Bischof Rudolf Voderholzer aus Regensburg und Bischof Stefan Oster aus Passau, äußerten in einer gemeinsamen Stellungnahme Bedenken zur anstehenden Wahl: „Wer die Ansicht vertritt, dass der Embryo oder Fötus im Mutterleib noch keine Würde und nur ein geringeres Lebensrecht habe als der Mensch nach der Geburt, vollzieht einen radikalen Angriff auf die Fundamente unserer Verfassung“, so die beiden Bischöfe.
UPDATE: Kurz vor der geplanten Wahl wurde der Tagesordnungspunkt zur Besetzung des Bundesverfassungsgerichts überraschend gestrichen. Grund ist unter anderem die anhaltende Kontroverse um die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf sowie Plagiatsvorwürfe gegen die Juristin. In der Unionsfraktion regt sich Widerstand gegen ihre Nominierung, insbesondere wegen früherer Äußerungen zum Abtreibungsrecht. Nähere Informationen finden sie hier.
Ich bin sehr gespannt wie das ausgeht… mittlerweile kann man wirklich nurnoch den Kopf über das ganze Thema schütteln.