Nachdem sich der Priester Nicolas Betticher im Sommer 2023 in Rom über den Umgang der Schweizer Bischöfe mit sexueller Gewalt beschwerte, wurde Bischof Joseph Maria Bonnemain aufgefordert, eine kanonische Voruntersuchung durchzuführen. Konkret ging es bei den Vorwürfen von Betticher um Vertuschungsvorwürfe gegen sechs Bischöfe, von denen vier noch heute Mitglieder der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) sind. Viele der Bischöfe sollen direkt von den Missbrauchsopfern angesprochen worden sein, worauf sie entweder gar nicht oder mit jahrelanger Verspätung reagierten. Weitere Bischöfe sollen Kenntnis von den Vorwürfen gehabt und ebenfalls nichts unternommen haben. Das kanonische Kirchenrecht sieht in Fällen sexueller Gewalt eine unverzügliche Meldepflicht vor.
Für die Untersuchung fanden in einer Kooperation mit dem Neuenburger Kantonsrichter Pierre Cornu und der Professorin für Strafrecht und Strafprozesse der Universität Zürich, Brigitte Tag, persönliche Gespräche, Befragungen und Analysen verschiedener Archivdokumente statt. Die Ergebnisse aus den Untersuchungen wurden dem Dikasterium für Bischöfe in Rom vorgelegt, das sich nun mit einem Schreiben durch Kardinal Robert Francis Prevost an die Schweizer Bischöfe wandte und die Ergebnisse mitteilte.
Antwort vom Vatikan an die Bistümer und Bischöfe
Den Schlussfolgerungen des Vatikans ist zu entnehmen, dass keine Hinweise auf „strafbare Vergehen, Vertuschung, Nachlässigkeit oder Fehler“ festgestellt wurden, die ein kirchenrechtliches Strafverfahren erfordern würden. Es wurden jedoch Fehler in kanonischen Verfahrensformen erkannt, die die Bischöfe zutiefst bedauern. Das Verhalten der Schweizer Bischöfe wurde in der Mitteilung der Schweizer Bischofskonferenz als „nicht korrekt“ beschrieben. „Aufgrund der formalen Irregularitäten“ wurde den Bischöfen eine kanonische Rüge erteilt. Juristische Folgen haben die Geistlichen nicht zu erwarten; dennoch wurden die Bischöfe ermutigt, „aufmerksamer zu agieren“ und gemeldete Missbrauchsfälle ernst zu nehmen sowie mit großer „Sorgfalt und Fachkenntnis“ zu behandeln. So sollen die Bischöfe stets mit dem Gefühl der Gerechtigkeit gegenüber den Betroffenen handeln, „denen die Kirche Zuhören, Aufmerksamkeit und Wiedergutmachung schuldet“, und die gegebenen Normen bei den Untersuchungen einhalten und beachten.
Nicht das erste Versäumnis der Schweizer Bischöfe
Die Schlussfolgerung des Dikasteriums der Bischöfe ist vor dem Hintergrund, dass die Schweizer Bischöfe nicht die erste Rüge erhalten, besonders zu bewerten. Bereits im Jahr 2023 wurde Bischof Felix Gmür wegen ähnlichen Fehlverhaltens gerügt. Der Basler Bischof teilte seine Kenntnis über Missbrauchsfälle erst mit, als es durch einen Beobachter zu Recherchen kam. Bischof Gmür vertuschte den Missbrauch, indem er dem Täter neben den Fallunterlagen auch das Tagebuch des Opfers zuschob. Auch hier verzichtete das Dikasterium für Bischöfe auf juristische Schritte gegen den Geistlichen.
Kardinal Prevost erkennt Fortschritte an
Das Dikasterium für Bischöfe wertschätzte im Schreiben von Kardinal Prevost das pastorale Engagement der SBK-Mitglieder und dankte ihnen für die verantwortungsvolle Haltung angesichts der Herausforderungen. In der Mitteilung erkannte Kardinal Prevost die Fortschritte an. Besonders geht es hierbei um die gesteigerte Effizienz im Umgang mit Missbrauchsfällen, die durch enge Zusammenarbeit mit unabhängigen Organisationen sowie gut geschultem Personal intensiviert und gefördert wurde.