Seit Tagen steht das Dorf Taybeh, ehemals Ephraim, unter schwerem Druck. Israelische Siedler greifen die Ortschaft wiederholt an, legen Feuer in Kirchen und auf Feldern, bedrohen heilige Stätten und erschweren durch ständige Provokationen das Leben der verbliebenen Bewohner massiv. Inmitten von Gewalt, wirtschaftlicher Not und wachsender Isolation hält die kleine christliche Gemeinde an ihrem Glauben fest – und ruft die Welt zum Gebet und zum Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden auf.
Leben in Taybeh: Kleine christliche Gemeinde in ständiger Angst
„Von diesem Tag an waren sie entschlossen, ihn zu töten. Jesus ging von nun an nicht mehr öffentlich unter den Juden umher, sondern zog sich von dort in die Gegend nahe der Wüste zurück, zu einer Stadt namens Ephraim. Dort blieb er mit seinen Jüngern“, heißt es im 11. Kapitel des Johannes-Evangeliums. Ephraim – das kleine Dorf im Westjordanland nordöstlich von Jerusalem – heißt heute Taybeh. Seit über 2.000 Jahren leben Christen in Taybeh – bis heute wird das Dorf ausschließlich von christlichen Arabern bewohnt. Doch seit dem 8. Juli sieht sich die kleine Gemeinde wiederholt Angriffen durch israelische Siedler ausgesetzt. Die Angreifer legten mehrere Feuer in der Nähe des Stadtfriedhofs und der antiken St.-Georgs-Kirche aus dem 5. Jahrhundert. Sie bedrohten heilige Stätten, berichteten die Priester Daoud Khoury, Jacques-Noble Abed und Bashar Fawadleh, die die drei christlichen Gemeinschaften in Taybeh betreuen.
Wie die Priester beklagen, seien die Übergriffe keine bloßen Provokationen, sondern Angriffe auf die Existenzgrundlage der Bewohner. Etwa 250 bis 300 Menschen leben heute noch in Taybeh. Die meisten früheren Bewohner sind ausgewandert, um der anhaltenden Gewalt und wirtschaftlichen Not zu entkommen. Die israelischen Siedler hindern Landwirte daran, ihre Felder zu betreten, und beschädigen gezielt die Olivenbäume – die wichtigste Einkommensquelle des Dorfes. Ziel sei es, so die Priester, „die Würde der Bewohner zu untergraben und die Heiligkeit dieses Landes zu entweihen“. Viele Landarbeiter hätten inzwischen Angst, ihre Felder zu betreten, nachdem sie mehrfach angegriffen wurden, berichtet Fawadleh gegenüber der Catholic News Agency. Der Priester, selbst aus Aboud nahe Ramallah stammend, sagt: „Solche Übergriffe habe ich noch nie zuvor erlebt.“ Und weiter: „Wir sind ein friedliches Volk. Wir verursachen keine Probleme, wir haben keine Waffen, niemand von uns ist aggressiv.“
Hoffnung, Freude und Gottvertrauen
Seit dem Ausbruch des Krieges zwischen Israel und der Hamas habe sich die Lage noch einmal deutlich verschärft, erklärt Fawadleh. Viele Einwohner Taybehs hätten ihre Arbeitsplätze in Jerusalem verloren – Palästinenser dürfen derzeit nicht mehr einreisen.
Das Lateinische Patriarchat von Jerusalem unterstützt die Bevölkerung mit grundlegender Versorgung und finanzieller Hilfe – unter anderem durch Beiträge zu Schul- und Studiengebühren. Doch Fawadleh betont: „Das allein genügt nicht.“ Was die Gemeinde brauche, sei ein Ende der Gewalt. „Wir müssen für Frieden und Gerechtigkeit beten – denn nur aus Gerechtigkeit erwächst der wahre Friede“, so der Priester.
Und dennoch: Trotz der dramatischen Lage habe die Gemeinde ihre Hoffnung, ihre Freude und ihr Gottvertrauen nicht verloren. „Denn wir sind Christen. Unsere Hoffnung ist die Auferstehung Jesu und das leere Grab“, sagt Fawadleh. Er appelliert an alle Menschen, für Taybeh zu beten, und fordert die internationale Gemeinschaft auf, politischen Druck auf die verantwortlichen Regierungen auszuüben, damit „diese Angriffe aufhören und alle Kontrollpunkte und Militärbarrieren im Westjordanland geöffnet werden“.