StartChristen Verfolgung"Höfliche Christenverfolgung" in Europa: Rechtsberater der europäischen Bischöfe berichtet

„Höfliche Christenverfolgung“ in Europa: Rechtsberater der europäischen Bischöfe berichtet

José Luis Bazán, der Rechtsberater für Migration und Asyl sowie Rechtsbeistand für Religionsfreiheit der katholischen Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE), äußerte sich in einem Interview mit CNA Deutsch besorgt über die „höfliche Christenverfolgung“ der Christen im Westen. „Höfliche Verfolgung“ ist nach den Aussagen von Bazán ein von Papst Franziskus geprägter Ausdruck, der die unsichtbare Ausgrenzung von Christen beschreibt, die durch Gesetze sowie gesellschaftliche Richtlinien und Normen aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden.

„Höfliche Christenverfolgung“ durch Kultur, Gesetz und Gesellschaft verschleiert

Im Gegensatz zur offenen religiösen Verfolgung ist der Christ bei der „höflichen“ Verfolgung nicht durch offensichtliche Gewalt bedroht, sondern der christliche Glaube und Lebensstil wird „höflich“ unterdrückt oder durch gesetzliche Vorgaben, welche „die Unparteilichkeit des säkularen Staates schützen“ sollen, exzessiv eingeschränkt. Nach Papst Franziskus findet eine derartige „höfliche Verfolgung“, die sich hinter Kultur, Fortschritt und Modernität versteckt und den Gläubigen die Freiheit beraubt, bereits statt, wenn „die Mächtigen Gesetze erlassen, die die Menschen zwingen, diesen Weg zu gehen, und eine Nation, die dieser modernen Gesetzessammlung nicht folgt oder sie zumindest nicht in ihrer Gesetzgebung haben will, angeklagt und höflich verfolgt“. Christen würden zumeist gewaltfrei, „auf elegante Weise und mit weißen Handschuhen“ verfolgt werden, wird Papst Franziskus zitiert. Der Rechtsberater selbst spricht von einem „zivilen, sozialen und beruflichen Tod“, wenn der Christ nach dem Evangelium lebt und handelt. Es sei die „Trennung von der Mehrheitsgesellschaft, wenn nicht gar die Ächtung und der Abstieg in ein unsichtbares Ghetto“, verdeutlicht Bazán die Folgen der „höflichen Verfolgung“.

Um den Unterschied zwischen der offenen Verfolgung, die mit Gewalt und Folter meist blutig endet, und der „höflichen Verfolgung“ zu verdeutlichen, werden häufig die Begriffe „Intoleranz und Diskriminierung“ verwendet, so Bazán.

„Höfliche“ Christenverfolgung im Alltag erkennbar

Gezielt benennt der Jurist die Beispiele des suspendierten Lehrers, der seine Ansicht über Familie, Ehe und Sexualität geäußert hatte. Unternehmen würden ein „Redezwang“ auferlegt, der nicht der Unternehmensphilosophie entspricht. Straßenprediger würden inhaftiert, wenn sie biblische Wahrheiten verkünden. Das Zitieren von Textpassagen aus dem Alten und Neuen Testament würde als „Hassrede gegen bestimmte Minderheiten“ ausgelegt werden und zu Haftstrafen führen, findet Bazán weitere Beispiele für die Auswirkungen auf den Alltag. Viele Christen seien aufgrund ihrer gläubigen Einstellung, die als „extremistisch“ eingestuft wurde, bereits bei einer Anti-Terror-Einheit angezeigt worden. Gerade in der heutigen Zeit, mit dem technischen Fortschritt und den verschiedenen Social-Media-Kanälen, sieht sich ein Christ häufig mit den Widersachern aus der Gesellschaft konfrontiert. Ein einzelner Beitrag, der vom gesellschaftlichen Denken abweicht, könne beispielsweise schon zu einer Kündigung im Job oder zur Ausgrenzung führen.

Religion ist nicht die Quelle der Gewalt

Die heutige Form der „höflichen Christenverfolgung“ sieht Bazán in der Rationalität geschuldet, die nicht durch zunehmende Aufklärung, sondern im Laufe einer langen Geschichte, die bereits in der griechischen Antike begann und „von Philosophen des Nahen Ostens und der Renaissance“ im Versuch, den Glauben mit der Vernunft zu vereinbaren, vertieft und entstanden ist. Aufklärung, so Bazán, sei im 18. Jahrhundert, in dem Religion eine große Rolle spielte, von Autoren entstanden, um die wissenschaftliche Entwicklung über Jahrtausende europäischer Geschichte hinweg zu verschleiern, indem man das Jahrhundert als „dunkles Zeitalter“ beurteilte. Mit der Aufklärung kam die Rationalität wie aus dem Nichts, doch entstand die Rationalität daraus, dass die Vernunft „inthronisiert“ wurde, ohne dem „Glauben Raum zu geben“. Es begann das Zeitalter der Ideologien, angefangen vom „Marxismus über den Faschismus bis hin zum Nationalsozialismus“. Diese Ideologien seien die Folge einer „ungläubigen Vernunft“ und der „Überhöhung des Menschen“. Beides, erklärt Bazán, missachtet die Wahrheit und die Würde des Menschen als „imago Dei“ (Abbild Gottes).

Bazán blickte auf ein Treffen mit weltanschaulichen Organisationen in Brüssel zurück und erinnerte sich an die Worte des ehemaligen EU-Sonderbeauftragten für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Ján Figel. Dieser antwortete auf die Frage einer französischen Freimaurerorganisation, dass nicht die Religion die Quelle der Gewalt sei, sondern der Wunsch des Menschen, über andere zu bestimmen und zu herrschen. „Hitler, Stalin, Pol-Pot waren nicht religiös, sondern Atheisten“, sagte Figel.

Säkularisation durch Staatsgewalt erzwungen

Nicht alles an der Säkularisation ist verwerflich, sondern kann durchaus als ein „christliches Prinzip der Autonomie“ in einer Zusammenarbeit der Religion und Vernunft verstanden werden. Die gesunde Vernunft und der Menschenverstand bewirken in der Gesellschaft auch positive Entwicklungen und sind für den Fortschritt des heutigen Wohlstands mitverantwortlich. Mit der Aussage „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist“ (Mt 22,21), spricht sich Bazán dafür aus, dass keine „ungebührliche Einmischung in die Zuständigkeitsbereiche“ des jeweils anderen stattfindet. Die Säkularisation trennt jedoch die Religion von den weltlichen Vorstellungen und stellt in der extremsten Form des Säkularismus in den westlichen Ländern gar eine Doktrin dar, die mit den religiösen Ansichten konkurriert und mithilfe der Staatsgewalt wie Polizei und Justiz erzwungen werden soll. „Nicht die Säkularisierung, sondern der Säkularismus, ob staatlich oder gesellschaftlich, wirtschaftlich oder medial, schafft ein feindliches Umfeld für den Ausdruck des christlichen Glaubens“, betont Bazán und verweist auf den Arbeitsplatz, die Schule und politische, kulturelle sowie wirtschaftliche Bereiche. Eine Folge davon sei, dass viele Christen ihren Glauben nicht ausleben, in der Hoffnung, von Anfeindungen, Schikanen, Sanktionen und Beleidigungen verschont zu bleiben.

Der radikale Säkularismus nimmt Einfluss in vielen Bereichen des Lebens eines Christen. Einige Menschen, die ihre Glaubensgrundsätze respektvoll äußern, bekommen beispielsweise auf der Arbeit Probleme, indem sie entlassen, disqualifiziert oder erst gar nicht eingestellt werden, reflektiert Bazán einen Bruchteil der Folgen. Ergänzend fügt er hinzu: „Ein politischer Kandidat wird abgesetzt, sobald seine christlichen Ansichten über die Ehe öffentlich bekannt werden. Es ist schwierig geworden, ein Buch in nicht-religiösen Verlagen zu veröffentlichen, wenn bestimmte christliche Grundsätze darin enthalten sind. Einem christlichen Krankenhaus, einer Schule oder einer Adoptionsagentur können die Mittel gestrichen werden, wenn sie Dienstleistungen erbringen, die ihrem Ethos entsprechen.“ Egal ob als Einzelperson oder als Organisation mit einer christlichen Moralvorstellung, es warten viele Herausforderungen in allen Lebensbereichen auf Christen, da „der Ausdruck ihres Glaubens verboten oder eingeschränkt wird oder sie gezwungen werden, etwas zu sagen oder sich entgegen ihrem Glauben zu verhalten“.

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