Zahlreiche Parlamentarier fordern eine Alternative zur Zustimmungslösung der Organspende. Doch wie sieht diese aus? Im Bundestag wurde am Donnerstag in erster Lesung über den interfraktionellen Antrag beraten. Dieser sieht im Gegensatz zur Zustimmungslösung eine Widerspruchslösung vor. Diese hält die katholische Kirche allerdings für den falschen Weg. So gebe es im aktuellen System genug andere Stellschrauben, an denen gedreht werden könne. Gegenwind kommt auch aus dem katholischen Büro in Berlin. Der Leiter, Prälat Karl Jüsten, bekräftigt die Kritik und sieht in der Organspende einen Akt der Nächstenliebe, der über den Tod hinaus Anerkennung verdient. Doch zugleich ist die „Entscheidung zur Organspende eine höchstpersönliche Frage“. Dies soll auch so bleiben, erklärt der Prälat.
Widerspruchslösung vs. Zustimmungslösung in der Organspende
Die Organspende in Deutschland ist aktuell in einem klaren Modell geregelt: der Zustimmungslösung. Die Zustimmungslösung, wie sie auch in vielen Ländern praktiziert wird, basiert auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Denn hierzulande müssen Menschen ausdrücklich zustimmen, ob und welche Organe sie nach dem Tod spenden möchten. Existiert kein Organspendeausweis, in dem diese Frage geklärt ist, darf keine Organentnahme stattfinden. Deshalb sieht der Prälat die Entscheidungsfrage als eine „höchstpersönliche Frage“. Während die Zustimmungslösung die Entscheidungsfreiheit des einzelnen Menschen garantiert, führt sie in der Praxis zu einer niedrigeren Zustimmungsquote. Viele Menschen schieben die Zustimmung vor sich her oder treffen ihre Entscheidung nicht.
Das Modell, das im Bundestag zur Debatte steht, ist die Widerspruchslösung. Diese kommt bereits in einigen europäischen Ländern, wie Frankreich und Belgien, zur Anwendung. Der große Unterschied bei dieser Regelung liegt in der Annahme, dass jeder Mensch grundsätzlich bereit ist, Organe zu spenden. Diesem Gedanken kann der Einzelne durch eine entsprechende Erklärung widersprechen, wodurch die Organspende abgelehnt wird. Die Widerspruchslösung soll dazu beitragen, die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Kritiker hingegen sehen sie als Eingriff in die individuelle Freiheit und Autonomie, da sie von den Bürgern verlangt, sich aktiv von der Organspende abzumelden, anstatt ihr positiv zuzustimmen. So betont auch Prälat Karl Jüsten, dass im christlich geprägten Menschenbild enthalten sei, dass der Einzelne Entscheidungen frei in Verantwortung gegenüber Gott und anderen treffen dürfe.
Kein signifikanter Unterschied zwischen den Modellen erkennbar
Die gesellschaftliche Grundentscheidung, dass jeder Mensch automatisch Organspender sei, passe nicht gut zu dieser Sicht, erläuterte Jüsten. Zudem ist es in der Tat zweifelhaft, ob durch die Widerspruchslösung die gewünschte Zunahme der Organspende erreicht wird. So wurde in einer vom Max-Planck-Institut veröffentlichten Analyse ein klares Bild gezeichnet. Denn unter allen Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist kein eindeutiger Unterschied zwischen Zustimmungs- und Widerspruchslösung erkennbar. Nach den Ergebnissen der Analyse führt die Umstellung nicht zu einer Zunahme der Organspenden.
Deshalb bleibt die katholische Kirche bei der Haltung, dass ein grundsätzlicher Systemwechsel in dieser Frage nicht weiterführend sei. Es sei vielmehr weiterführend, „ganz praktische Maßnahmen und Anstrengungen von Staat und Gesellschaft, die die strukturellen und organisatorischen Probleme im Transplantationsverfahren zielgerichtet und engagiert angehen.“ Darunter fällt die Förderung von ausreichend Entnahmekrankenhäusern sowie der gezielte Vertrauensaufbau und allgemeine Aufklärungs- und Informationskampagnen für die Bevölkerung.