Der technologische Fortschritt schreitet stetig voran und macht auch vor der Seelsorge nicht Halt. Was einst undenkbar war, ist seit langer Zeit Realität. Durch das Internet veränderte sich auch unsere Art, zu kommunizieren. Eine schnelle Nachricht über einen Messenger-Dienst, Mailen, Videos, Fotos und Momente digital mit Freunden und Verwandten zu teilen, ist selbstverständlich geworden. Dieser Fortschritt hat längst auch die Kirche und soziale Einrichtungen erreicht, weshalb digitale Seelsorge immer mehr an Bedeutung gewinnt und öfter in Anspruch genommen wird. Bereits seit zehn Jahren können sich Hilfesuchende über die Internetseite www.internetseelsorge.de an über 45 Seelsorgerinnen und Seelsorgern aus neun verschiedenen Bistümern wenden. Die Kontaktaufnahme erfolgt anonym und für die Menschen kostenlos. Das Hilfsangebot legt dabei großen Wert auf eine sichere Datenverarbeitung, um die Nachrichten vor Dritten zu schützen.
Große Auswahl an Möglichkeiten der digitalen Beratung
Junge Menschen wachsen mit der digitalen Welt auf und nehmen die Angebote immer häufiger in Anspruch, aber auch ältere Menschen suchen sich Hilfe über digitale Beratung. Um dieser Entwicklung und den Bedürfnissen gerecht zu werden, steht den Hilfesuchenden eine große Auswahl der Seelsorge zur Verfügung. Die Auswahl reicht hier von der Beratung über E-Mail, speziellen Seelsorgechats, seien es schriftliche oder Chats per Sprachaufnahme, bis hin zu Video-Konferenzen, in denen sich zum Beispiel Priester, Diakone, Pastoralreferenten oder Theologen den Anliegen widmen.
Jede Form der Seelsorge stellt die Seelsorgerinnen und Seelsorger vor andere Herausforderungen. Während bei der Video-Seelsorge die Gesichter, Mimik und Gestik wahrgenommen werden können, heißt es bei der mailbasierten Seelsorge, zwischen den Zeilen zu lesen. Obwohl die Seelsorgerinnen und Seelsorger während des Schriftverkehrs nur einen Bruchteil der Menschen erfahren, ist es für die Gemeindereferentin Elke Snyder, die seit 2014 die Koordinatorin der Internetseelsorge im Bistum Aachen ist, „erstaunlich, wie sehr man trotzdem eine Beziehung aufbauen kann und dass Menschen mir ihr Vertrauen schenken.“ Darin liegt aber auch ein Vorteil der schriftlichen Seelsorge. Die Anonymität. Denn diese senkt die Hemmschwelle und schafft Vertrautheit. Dies hilft den Bedürftigen dabei, sich den Seelsorgerinnen und Seelsorgern in ihren schweren Fragen zu öffnen. „Nähe durch Distanz ist unser Ansatz. Dadurch entsteht eine Vertrautheit“, reflektiert die erfahrene Seelsorgerin. Neben der Anonymität hat die schriftliche Kontaktaufnahme den Vorteil, dass die Sorgen, Ängste und Nöte rund um die Uhr angesprochen werden können. Diese kommen zumeist zum Vorschein, wenn der Trubel des Alltags nachlässt und man Zeit für Gedanken bekommt. Deshalb erreichen die Seelsorgerinnen und Seelsorger die meisten Nachrichten morgens zwischen zwei und vier Uhr. Durch die Überwindung, eine E-Mail oder eine Chatnachricht zu verfassen, öffnet sich der Hilfesuchende und verändert sich aufgrund der Konfrontation der Sorgen.
Schnelle Rückmeldung in der digitalen Seelsorge
Eine Rückmeldung erfolgt durch den gewünschten Gesprächspartner innerhalb von 48 Stunden. „Wenn ich kontaktiert werde, schreibe ich nie am ersten Tag zurück. Denn diese zeitversetzte Antwort ermöglicht den Schreiberinnen und Schreibern eine weitere Reflektion. Ich nutze diese Zeit außerdem, um das ‚Weiße‘ zwischen den schwarzen Zeilen zu lesen und Schlüsselwörter zu finden, um herauszufinden, um welches Anliegen es sich handelt. Manchmal ist nämlich das, was die Menschen zu Beginn schreiben, nur ein Aufhänger. Und oftmals kommt dann etwas ganz anderes dabei heraus“, erklärt die Gemeindereferentin eine der Herausforderungen.
Besondere Herausforderung bei Trauer oder Suizidgedanken
Die Anzahl der geschriebenen E-Mails oder Nachrichten ist je nach Anliegen unterschiedlich. So kann die Begleitung von ein paar Nachrichten über Monate bis hin zu Jahren stattfinden. Besonders bei Trauerfällen oder Menschen mit Suizidgedanken ohne Lebenswillen ist die Herausforderung groß, ihnen zu positiven Gedanken und Lebensmut zu helfen. Bei Anfragen, die therapeutisch begleitet werden sollten, ist es oftmals gar nicht einfach, dies offen zu benennen und auf psychologische Hilfe zu verweisen. Doch auch abseits von akuten Krisensituationen sind die Internetseelsorgerinnen und Internetseelsorger offen für E-Mail-Anfragen. Ein großer Unterschied bei der Internetseelsorge zur Telefonseelsorge besteht darin, dass man die Helferinnen und Helfer auswählen und direkt kontaktieren kann. Hierfür stellen sich die Ansprechpartner auf der Webseite mit einem Bild und ihrem Profil vor.
Nähe trotz physischer Distanz
Eine weitere Möglichkeit stellt die Beratung per Video-Konferenz dar. Hier besteht die Möglichkeit, die weit verstreute Familie zusammenzubringen. Dies kann besonders in einem Trauerfall einen positiven Effekt haben. Während der Sohn mit den Enkeln in Italien über den Tod der geliebten Mutter trauert, sitzt sein Vater alleine in der Wohnung und versinkt in tiefer Trauer. Ein Seelsorger vereinbart mit den Familienmitgliedern einen Termin, an dem sie sich in einer Video-Konferenz begegnen. Im Beisein und unter der Leitung des Seelsorgers teilen die Trauernden ihre Erinnerungen aus und geben sich trotz der großen Distanz Kraft, um den Tod und die Trauer zu verarbeiten. Die Videokonferenz ist ein vielseitiges Mittel, um den Menschen in existenziellen Fragen und Krisenzeiten Halt zu geben. So eignet sich das Medium nicht nur für Gruppensitzungen, sondern kann auch für Einzelgespräche genutzt werden, um auf die individuellen Sorgen eingehen zu können. Für die Seelsorger besteht die Aufgabe darin, einen Ort zu wählen, der Vertrauen erweckt und sich voll auf die Hilfesuchenden fokussiert. Störende Hintergrundgeräusche und alle Formen des Multitasking werden eingestellt, um das Vertrauensverhältnis nicht zu stören. Diese digitale Versammlung schafft trotz einer physischen Entfernung Nähe und Gemeinschaft. Durch eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und die Möglichkeit, den Standort der Server bewusst zu wählen, ist auch hier der Datenschutz sichergestellt.
Digitale Seelsorge: Hohe Qualität und ethisch korrekt
Die Hilfesuchenden können sich für verschiedene Medien entscheiden, doch eines darf in der digitalen Welt nicht vergessen werden. Es ist Gottes Geschöpf, das Hilfe benötigt und keine industrielle Maschine. Deshalb ist es in der Seelsorge wichtig, sich auf die Gefühle der Menschen einzulassen und das Vertrauen zu wahren. Die Privatsphäre und die Vertraulichkeit müssen in der digitalen Seelsorge gewährleistet werden. Es gilt die Bewahrung des Seelsorgegeheimnisses. Weiterhin werden durch eine gute spezifische Ausbildung die Kompetenz und das technische Verständnis vermittelt. Eine Seelsorge, die ohne Mimik dafür in Sprache oder Schrift abläuft, fordert von den Seelsorgern andere Fähigkeiten als die Gespräche via Video-Konferenzschaltungen, wo die Mimik vieles über den Menschen verrät. Die Seelsorgerinnen und Seelsorger werden darin geschult, sich selbst regelmäßig zu reflektieren und die Grenzen der Online-Seelsorge zu erkennen. Besonders bei suizidalen Gedanken ist es von größter Wichtigkeit, dass ein klarer Plan vorliegt und eingegriffen werden kann.