Am 27. März präsentierte das Rossing Center for Education and Dialogue in Jerusalem den Jahresbericht „Angriffe auf Christen in Israel und Ost-Jerusalem“. In den Ergebnissen ist auch eine im Dezember 2024 durchgeführte Umfrage unter 300 palästinensischen/arabischen Christen in Israel und Ost-Jerusalem berücksichtigt. Durch diese Umfrage erhielt das Rossing Center einen Eindruck der Wahrnehmung verschiedener Aspekte im Leben der Befragten. Experten wie Hana Bendcowsky, die Direktorin des Jerusalemer Zentrums für jüdisch-christliche Beziehungen am Rossing Center, und Hussam Elias, Geschäftsführer des Projekts, berichteten über die in den Ergebnissen festgestellte wachsende Feindseligkeit gegenüber Christen im Heiligen Land. An dem Briefing nahm auch der Jesuitenpater David Neuhaus sowie Bernard Sabella, emeritierter Professor für Soziologie, teil.
Wachsende Feindseligkeit gegenüber Christen im Heiligen Land in Zahlen
Das Ergebnis der Studie dokumentiert einen Anstieg von Einschüchterungen und Aggressionen gegen christliche Gemeinschaften im Jahr 2024. Rund 180.000 Christen leben aktuell im Heiligen Land, was etwa 1,8 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Die meisten Vorfälle betrafen körperliche Übergriffe, wobei sich die Angriffe überwiegend gegen Geistliche richteten, die leicht an ihrer religiösen Kleidung erkennbar sind. Spucken wurde als eine weit verbreitete Form der körperlichen Belästigung festgestellt. Zudem wurden auch Vandalismus und Schändungen an christlichen Kirchen dokumentiert, darunter Graffiti, Steinwürfe und Brandstiftungen. In allen bekannten Fällen handelte es sich bei den Tätern um jüdische Personen, insbesondere um junge Männer aus ultraorthodoxen und national-religiösen Kreisen, die von einer Mischung aus nationalistischem Eifer und religiösem Extremismus motiviert waren.
Wie in der durchgeführten Umfrage deutlich wird, fühlen sich die Christen in ihrer Heimat bedroht. 30,8 Prozent der Christen fühlen sich als Teil der israelischen Gemeinschaft akzeptiert; dem gegenüber stehen 34 Prozent, die sich nicht willkommen fühlen. Bemerkenswert ist dabei, dass dies mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Altersgruppe von 18 bis 29 betrifft. 64,8 Prozent der Befragten gaben an, dass die Verabschiedung des Grundgesetzes „Israel, der Nationalstaat des jüdischen Volkes“ Christen als Bürger zweiter Klasse bestätige. Die wachsende Feindseligkeit gegenüber Christen im Heiligen Land führt dazu, dass mehr als ein Drittel der Befragten eine Auswanderung in Erwägung ziehen. Motive sind hier vor allem die Sicherheit (44 Prozent) und die allgemeine politische Situation (33 Prozent).
In überwiegend israelisch-jüdischen Regionen fühlen sich 58,5 Prozent der Befragten wohl, sichtbare religiöse Symbole zu tragen. In Ost-Jerusalem trifft dies nur auf 42 Prozent zu.
Auch das Thema Identität ist in der Umfrage von großer Bedeutung. Rund ein Drittel (34 Prozent) der Befragten gaben an, sich als arabische Christen zu verstehen, 23 Prozent als israelische Christen und 13 Prozent als palästinensische Christen. Dies weist auf ein komplexes Zusammenspiel von religiöser und nationaler Zugehörigkeit hin.
Gefahr der religiös gespaltenen Gesellschaft
Nach dem Briefing erklärte der emeritierte Professor für Soziologie, Bernard Sabella, gegenüber CNA, dass die Region nach der iranischen Revolution 1979 einen Wandel vollzogen habe. „Palästinenser und Araber begannen, sich in erster Linie als Muslime zu identifizieren.“ In der Folge hätten sich palästinensische Christen und israelisch-arabische Christen begonnen, sich als Christen zu identifizieren. In diesem Zusammenhang warnte er davor, die religiöse Identität auf Kosten einer breiteren, inklusiveren Identität zu überschätzen. Die Gefahr bestehe darin, dass die Gesellschaft nicht zu einer inklusiven Gesellschaft werde. Vielmehr würde sie „entlang religiöser und ethnischer Glaubensrichtungen oder Unterschiede“ gespalten werden. Aus diesem Grund verliere man „diese integrative und umfassende Identität, die einen an den Ort bindet, unabhängig von der Nation oder der Religion“, führte er aus. Als Christ müsse man einen gemeinsamen Raum mit allen anderen finden, fuhr er fort.
Hana Bendcowsky verwies in dem Briefing auf ein sichtlich verschlechterndes politisches und soziales Klima. Großes Augenmerk legte der Bericht auf die Analyse des terroristischen Übergriffs am 7. Oktober 2023 durch die Hamas. Ab diesem Zeitpunkt sei die Lage durch zunehmenden Extremismus, Polarisierung und mangelnde Toleranz gegenüber Minderheiten geprägt. Auch die wachsende Feindseligkeit gegenüber Christen im Heiligen Land nahm zu. Bendcowsky betonte, dass Kirchen und Christen nun eine größere Bereitschaft zeigen, Übergriffe zu melden. Auch wenn häufig der Dialog und die Beteiligung der Behörden fehle, um die Bedürfnisse der christlichen Gemeinschaften zu verstehen.
Wachsende Feindseligkeit gegenüber Christen im Heiligen Land: Nicht Teil der politischen Agenda
Die Situation auf dem Berg Zion, wo jüdische und christliche religiöse Traditionen auf engem Raum aufeinandertreffen, wurde als Fallstudie für einen komplexen Ort präsentiert. Dieser hat mit Vernachlässigung und negativen Entwicklungen zu kämpfen, die zu Übergriffen auf Besucher führen. Besonders in den letzten Jahren ist die Zahl solcher Vorfälle gestiegen. Vandalismus an christlichen religiösen Gebäuden und Friedhöfen sowie körperliche Belästigung von christlichen Geistlichen und Touristen nahmen deutlich zu. Der Bericht des Rossing Centers betont jedoch, dass „die Angriffe auf das Christentum nicht Teil der politischen Agenda sind“. Vielmehr sind die Übergriffe auf ein „sozio-politisches Klima“ und das „wachsende Gefühl des Nationalismus und der Betonung Israels in erster Linie als Staat für die jüdische Bevölkerung“ zurückzuführen.
Die Herausforderung für Kirchen im Umgang mit den Behörden beginnt schon bei den Visa für Geistliche. Aber auch die Genehmigung religiöser Feiertage, der steuerliche Status von Kirchen sowie Landenteignung zählen dazu. „Christen haben einfach keine Priorität und es ist ihnen egal“, erklärte Bendcowsky gegenüber CNA. Sie betonte, dass Christen nicht absichtlich angegriffen werden, aber es sei absichtlich, „sich nicht um sie zu kümmern“. Die komplexe Situation und die wachsende Feindseligkeit gegenüber Christen im Heiligen Land erfordere erhebliche Anstrengungen, um die Sicherheit und Religionsfreiheit zu gewährleisten.