StartGlaubenKirche im Wandel: Botschaft vom Bischof von Haarlem-Amsterdam

Kirche im Wandel: Botschaft vom Bischof von Haarlem-Amsterdam

Der niederländische Bischof von Amsterdam, Jan Hendriks, richtet einen eindringlichen Appell an die deutsche Kirche, damit in Deutschland nicht dieselben Fehler passieren wie in der niederländischen Kirche vor 50 Jahren.

Dem Geistlichen geht es dabei vor allem darum, den Glauben zu wahren und dem Zeitgeist der säkularen Welt nicht nachzugeben. Dieses Handeln führte nach Meinung des Bischofs nämlich zu großen Problemen in Holland.

„Eine Zeit der Prüfung“ – viele Kirchen in Holland wurden geschlossen

Ein großes Problem der niederländischen Kirchen ist ihre Finanzierbarkeit. Im Gegensatz zu den Kirchen in Deutschland bekommt die katholische Kirche in den Niederlanden nämlich keine Unterstützung seitens der Regierung. Die Kirchen bekommen nur dann einen Zuschuss von der Regierung, wenn sie unter das Nationaldenkmal fallen und Renovierungsarbeiten anfallen. Um die Kirchen also aufrechterhalten zu können, benötigt sie neben den Geldern auch Freiwillige und natürlich Gläubige. Je weniger Menschen sich jedoch für die Kirche interessieren und für sie einsetzen, umso schwieriger wird es, die Kirche am Leben zu erhalten.

Für den Bischof stellt es ein ernst zu nehmendes Problem dar, wenn eine junge Familie im Sonntagsgottesdienst hauptsächlich von Menschen jenseits des 80. Lebensjahres umgeben ist. Laut seiner Aussage steigert das keinesfalls die Attraktivität der Kirche. Doch die Mehrheit der holländischen Bürger ist bedauerlicherweise säkular und der Glaube an Gott sowie an Jesus spielt zunehmend eine untergeordnete Rolle.

Mehr als die Hälfte der Niederländer sind konfessionslos

Die Menschen haben sich vom Glauben abgewandt: Fast 60 Prozent sind nach den Aussagen des Bischofs konfessionslos. Grund hierfür ist seiner Meinung nach der damalige Standpunkt in Holland, dass die Antwort auf die Säkularisierung (Verweltlichung) die weitere Verweltlichung sei. So dachte man, dass es wichtig sei, noch säkularer werden und bestimmte Positionen im Glauben aufzugeben beziehungsweise neu überdenken zu müssen. Nur auf diese Weise sah sich die Niederlande in der Lage, anschlussfähig zu bleiben und Schritt mit der Zeit halten zu können. Dieses Denken ist in den Augen des niederländischen Geistlichen jedoch ein gefährlicher Irrglaube und keineswegs die Lösung. Im Gegenteil: Diese Idee hatte den Verweltlichungsprozess auch in der Kirche noch weiter beschleunigt.

Nach dem Pastoralkonzil ist eine gesamte Generation ohne Glaubenswissen großgeworden. Andererseits kommen auch immer wieder junge Menschen zum katholischen Glauben. In diesem Zusammenhang spricht der Geistliche von der Kirche Gottes, die vom Heiligen Geist geleitet wird.

Ist der aktuelle synodale Weg das Problem der Kirche?

Bei unseren niederländischen Nachbarn erlitt die Kirche in den 1960er einen tiefen Einbruch. Im Pastoralkonzil hatten die Gläubigen dieselben Ideen, wie sie nun auf dem Synodalen Weg auch in Deutschland nach vorne gebracht werden.

Bischof Jan Hendriks, der ein Fachmann für Kirchenrecht und das Zweite Vatikanische Konzil ist, betrachtet die Problematik in Deutschland basierend auf seiner eigenen Erfahrung, denn das Pastoralkonzil hat er in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts noch selbst mitbekommen. Er warnt vor den möglicherweise dramatischen Folgen für Deutschland, denn für die Niederlande hatten diese Ideen zu einer sehr starken Verweltlichung sowie zu sehr viel Zerrissenheit und Zerwürfnissen geführt – unter den Gläubigen selbst, mit Rom sowie der Weltkirche.

Auch Papst Franziskus hatte mehrfach schon darum gebeten, den Synodalen Weg wieder auf das Zweite Vatikanische Konzil sowie auf das Kirchenrecht auszurichten.

Gab es Kommunikationsprobleme im holländischen Reformprozess?

Vor einigen Monaten besuchte der Mainzer Bischof Kohlgraf mit einigen weiteren deutschen Bischöfen die Niederlande. Der Geistliche vertrat die Meinung, dass Papst Johannes Paul II. schlecht kommuniziert hätte, als er den Reformprozess in den Niederlanden aufgehalten habe. Das hatte eine noch stärkere Säkularisierung zur Folge gehabt. Bischof Jan Hendriks widerspricht in diesem Punkt Bischof Kohlgraf und sieht das Problem weniger in der Kommunikation als vielmehr im Inhaltlichen. Als Beispiel nennt er die Enzyklika von Papst Paul VI. über den Zölibat. Auf dieses päpstliche Rundschreiben hin beschloss das Pastoralkonzil die Abschaffung des Pflichtzölibats. Ähnlich verhielt es sich bei dem Thema Sexualität und Ehe, denn auch hier sollten neue Auffassungen alte Standpunkte ablösen. Es sei ein komplexer Prozess gewesen, die niederländischen Bischöfe davon zu überzeugen, dass eine solche Vorgehensweise schlicht nicht möglich ist. Deutschland befindet sich nach Ansicht von Bischof Hendriks in einer vergleichbaren Lage.

Bischof Hendriks: Deutsche Kirche muss aus den Erfahrungen in den Niederlanden lernen

Für Bischof Hendriks ist es von zentraler Bedeutung, den Glauben nicht zu verwässern und sich einzugestehen, wenn es persönlich nicht mehr möglich ist, das zu glauben, was die Kirche lehrt. Die Kirche in Deutschland müsse aus den Erfahrungen der Niederlande lernen. Bischof Hendriks stellt eindeutig klar: „Die dogmatische Konstitution Lumen Gentium lehrt uns, dass wir immer in Einheit mit der jahrhundertealten kirchlichen Tradition gehen müssen. Wir können keinen neuen Glauben erfinden. Was die Kirche gelehrt und geglaubt hat, dass beispielsweise die Ehe der geeignete Rahmen für Sexualität ist, kann sie nicht einfach ändern.“

Für die katholische Kirche braucht es nach Meinung des Bischofs ein authentisches Glaubenszeugnis, also ein nach außen hin sichtbares Leben aus dem Glauben heraus – so, wie es die Heiligen auch getan haben. Ob der heilige Ludwig Maria Grignon von Montfort, Bernhardin von Siena und viele weitere Heilige gingen als Volksmissionare umher und entfachten das Glaubensfeuer in der Welt! Die Kirche dürfe nie vergessen, dass der Glaube etwas Übernatürliches ist.

Die Rolle der Frau in der Kirche: Ein umstrittenes Thema

Geht es nach dem Orientierungstext des Synodalen Weges, dürfen Gläubige etwas tun, was gemäß dem Zweiten Vatikanischen Konzil lediglich dem Papst oder den Bischöfen zusteht – nämlich die Auslegung der Tradition sowie der Heiligen Schrift. Diese würde aber eine Untergrabung des Bischofsamtes bedeuten. Das Lehramt des Heiligen Vaters und der Bischöfe wird in Lumen Gentium 25 näher beschrieben: Durch ihren Dienst soll nämlich die Glaubenseinheit bewahrt werden.

Ein weiterer Konfliktpunkt ist die Forderung vieler Frauen in den Niederlanden, um eine stärkere Beteiligung in kirchlichen Leitungspositionen sowie um die Möglichkeit der Weihe von Frauen zu Diakonen. Bischof Hendriks sieht nicht so sehr die Frage nach der Weihe im Fokus, sondern vielmehr die Suche nach Aufmerksamkeit. Es geht also wesentlich um die Fragestellung, wie die weibliche Rolle innerhalb der Kirche hervorgehoben und gestärkt werden kann. Frauen können in verschiedenen Positionen eingesetzt werden, solange die Rolle der Frau das Kirchenrecht nicht verletzt und im Rahmen der katholischen Lehre bleibt. „Der Glaubenssinn aller Gläubigen ist ein wesentliches Merkmal der Kirche“, so lehrt es auch das Zweite Vatikanische Konzil (Lumen Gentium 14). Zudem erwähnt das Konzil hier sowohl die Führung durch den Heiligen Geist als auch die Einheit mit dem kirchlichen Lehramt und die Treue zum überlieferten Glauben.

Junge Menschen suchen die Wurzeln des Glaubens

Laut Bischof Hendriks von Haarlem-Amsterdam sei es auffällig, dass gerade jüngere Menschen zu den Glaubenswurzeln zurückkehren möchten, während die Älteren auf den Themen des Pastoralkonzils aus den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts beharren. Dabei sind es unterschiedliche Dinge, die junge Menschen beschäftigen. Wie in der gesamten Kirche sind auch unter den Jugendlichen die Charismen, Interessen und Berufen breit gefächert. Während sich manche Jugendliche dafür einsetzen, dass sich junge, gleichgesinnte Menschen mehr untereinander vernetzen, um Freundschaft und Glaube miteinander zu teilen, solidarisieren sich andere mit den Armen. Wiederum andere interessieren sich für die Liturgie, häufig in klassischer Form oder setzen sich aktiv für die Glaubensbildung und Glaubensvertiefung ein.

Wie kann katholische Katechese in Schulen vorangebracht werden?

Bischof Jan Hendriks ist zugleich Referent für katholisches Bildungswesen und Delegierter der Bischöfe für die Akkreditierungsaufgaben von Bildungseinrichtungen des niederländischen katholischen Schulrates. Er spricht in einem Interview davon, dass die niederländischen Bischöfe in den 60er-Jahren verordneten, dass alle katholischen Schulen, die meist von Pfarreien oder religiösen Orden geleitet wurden, in die unabhängige Hand von Laienvereinigungen gelangen. Seit diesem Zeitpunkt waren katholische Schulen nicht mehr in katholischer Trägerschaft und das hat deutliche Spuren hinterlassen. Es ist jedoch grundlegend wichtig, aktiv zu handeln, um die Katholizität einer Schule sicherzustellen und Schulen in ihrer katholischen Identität zu stärken.

In Holland wird nun darauf geachtet, dass es in jedem Bistum einen Delegierten für das katholische Bildungswesen gibt, der mit den einzelnen Schulen in Kontakt steht, sie im alltäglichen Handeln ermutigt und Katechese-Material zur Verfügung stellt.

Trotz der starken Säkularisation der Gemeinden werden die Hilfsmittel, die von der Kirche zur Katechese bereitgestellt werden, mehr und mehr angenommen. In den Niederlanden bilden sich missionarische Gemeinden, die sich auf das gesamte Land ausbreiten. Im Bistum Haarlem-Amsterdam war es sogar möglich, über ein Ehepaar an zehn verschiedenen Orten im Bistum monatlich einen Familientag abzuhalten. Dort werden Familien auf dem Glaubensweg mit Katechese, Begegnung, Essen, Spielen sowie mit einem Programm zur Glaubensbildung unterstützt.

Von einer echten Trendwende möchte der Bischof noch nicht sprechen, jedoch sei die Atmosphäre jetzt ganz anders, auch in den Pfarreien habe sich viel verbessert, so Bischof Hendriks. Dies ist ein wichtiger Fortschritt, denn durch Diskussionen lässt sich der Glaube nicht erwecken. „Der Glaube“, sagt der Bischof vom Bistum Haarlem-Amsterdam, „spielt sich auf einem ganz anderen Niveau ab.“

LGBTQ: Wie lässt sich dieser Lifestyle mit der Kirche vereinbaren?

In Deutschland wie auch in den Niederlanden gibt es einen Punkt, der immer wieder einen Konflikt darstellt, nämlich LSBTQ (engl. LGBTQ) – die Lesben, Schwulen, Bisexuelle, Trans und Queere Szene. Auch dem Bischof von Haarlem-Amsterdam ist aufgefallen, dass es sich im abendlichen Fernsehprogramm vermehrt um dieses Thema dreht. Doch nicht nur im TV gewinnt das Thema an Popularität, sondern auch in den Straßen des Landes. An den Häuserfassaden hängen immer mehr Regenbogenflaggen und auch die Gaypride-Paraden erstrecken sich über einen immer längeren Veranstaltungszeitraum. In Amsterdam – gibt der niederländische Geistliche als Beispiel – wurde die einwöchige Parade in diesem Jahr auf zwei Wochen verlängert. Im nächsten Jahr soll der Festzug schon vier Wochen andauern. „Da wird ein enormer Druck ausgeübt. Es wirkt so, als gäbe es in der Welt kein wichtigeres Thema als dieses. Zugleich wurden bei den letzten politischen Wahlen Parteien gewählt, die nicht so um diese Dinge kreisen, die Partei mit dem größten Widerstand gegen LGBTQ+ ist sogar stärkste Partei“, äußerte er sich zu diesem aktuell so diskutierten Thema.

In der Kirche spielt dieser Lifestyle nur eine untergeordnete Rolle, auch wenn sich die Kirche gegenüber der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele sehr kritisch zeigte. Dort zeigten farbenfrohe Dragqueens und Transgender-Models eine moderne Interpretation des weltberühmten Kunstwerks „Das letzte Abendmahl“ von Leonardo da Vinci. Diese Darstellung löste bei Kirchenvertretern eine große Welle der Empörung aus.

Zu den Glaubenswurzeln zurückzukehren und offen gegenüber dem zu sein, was der Heilige Geist der Kirche sagen will, ist der Wunsch des niederländischen Bischofs. Dabei darf sich die Kirche nicht vom Zeitgeist leiten lassen, sondern davon abwenden und gut zu unterscheiden. „Christus ist für den Sünder gekommen. Wir sind in seinen Erlösungsplan aufgenommen, weil wir Sünder sind. Es geht nicht darum zu sagen, dass jemand in der Kirche besser ist als ein anderer. Wir müssen jeden Einzelnen annehmen, wie er ist. Zugleich ist aber auch jeder gerufen, den Weg der Bekehrung und Erneuerung zu gehen und sich dabei vom Geist Gottes leiten zu lassen und im Glauben zu wachsen.“

Beitragsbild Copyright: © @alexey.fedoren@gmail.com – Depositphotos – ID-434393490

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