Mit einem Brief wandte sich der Grünen-Abgeordnete Maik Außendorf an die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Darin beschwerte er sich, dass im Fraktionssaal der Union ein Kruzifix hängt. Dies würde nicht den „Grundsätzen parlamentsneutraler Arbeit“ entsprechen, monierte der Grünen-Politiker. Er kritisierte, dass durch das Kreuz als Symbol einer Religionsgemeinschaft die Trennung von Kirche und Staat nicht gegeben sei. Der CDU-Politiker Thomas Rachel sieht darin Intoleranz gegenüber religiösen Symbolen und Gemeinschaften.
Streit um Kruzifix im Sitzungssaal der Union
Aufgrund von Renovierungsarbeiten bis zum 6. November wurde die Tagung des Ausschusses ausnahmsweise in den Fraktionssaal der Union verlegt. Doch dort hängt ein Kruzifix, was dem Grünen-Politiker störte. In dem Brief an die Bundestagspräsidentin Bas forderte er, dass die kommende Tagung in einem „weltanschaulichen und religiös neutralen“ Sitzungssaal stattfinden solle. Weiter bemängelte Außendorf, dass in diesem Saal schon eine Sitzung des Digitalausschusses abgehalten wurde.
CDU-Politiker und Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei reagierte mit Unverständnis auf die Bitte des Grünen-Abgeordneten. Die Forderung zeige, wie es um die „vielbeschworene Toleranz bei einigen Grünen“ stehe, so Frei. Weiter stellte er klar, dass die Union den Sitzungssaal „kollegial“ zur Verfügung stellte und direkt darauf mit einer nahezu provozierenden Forderung konfrontiert wurde. Das Kruzifix sei nicht verhandelbar, stellte der Parlamentsgeschäftsführer klar. Der religionspolitische Sprecher der CDU sieht in der Kritik ein klares Zeichen der Intoleranz und bewertet das Verhalten von Außendorf als respektlos. Weiter führte er aus, dass die christlichen Werte der Fraktion nicht ausschließen, sondern vereinen. Nun sei es an der Grünen-Bundestagsfraktion klarzustellen, dass es sich bei der Intoleranz nicht stellvertretend für die Partei handle. Ähnlich fordert es auch Thorsten Frei. So sollen die Grünen klarstellen, ob es sich um eine „verirrte Einzelmeinung“ oder um eine „Fraktionsposition“ handelt.
Antwort des Grünen-Abgeordneten in den sozialen Medien
In der Zwischenzeit bezog der Grünen-Politiker Außendorf Stellung zu der Diskussion. So entschuldigte sich Außendorf auf der Plattform „X“. Es tue ihm leid, wenn sein Brief als Angriff gewertet wurde. Weiter schrieb er, er habe sich mit seiner Anfrage weder gegen die Union noch gegen eine Religion gerichtet. Sein Anliegen war lediglich, dass die nächste Sitzung des Wirtschaftsausschusses in einem religiös neutralen Raum stattfinde. Bundestagspräsidentin Bas äußert sich nicht zu ihrer Korrespondenz, erklärte eine Bundestagssprecherin gegenüber der Rheinischen Post in Düsseldorf.
Kruzifix ein Streitthema in öffentlichen Räumen
Der Streit um das Kruzifix in öffentlichen Gebäuden lodert in Deutschland seit vielen Jahren. Bereits im Jahr 1985 beschwerte sich ein oberpfälzischer Vater über das Kreuz in Schulräumen seines Kindes. Das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe gab dem Familienvater zehn Jahre später recht. Die Begründung: Das sichtbare Kreuz in staatlichen Schulen verstößt gegen das Grundgesetz der garantierten Religionsfreiheit. Am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wurde 2011 die Anbringung des Kruzifixes besprochen. Nach dem Gericht fällt die Entscheidung über die Anbringung von Kreuzen in Schulräumen in die Zuständigkeit des jeweiligen Landes. Mit 15 von 17 Stimmen wurde kein Verstoß gegen Grundrechte festgestellt.
Einen Fall der öffentlichen Anbringung eines Kruzifixes in Behörden wurde zuletzt vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt. Im Freistaat Bayern dürfen nach der Gerichtsentscheidung Kreuze gut sichtbar aufgehängt werden. In Bayern sieht Paragraf 28 der allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden vor, dass Kreuze als „Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung“ öffentlich sichtbar hängen dürfen.
Für den Theologen und Lehrer der Dogmatik in Wien, Jan-Heiner Tück, ist das Kreuz mehr als ein kulturelles Symbol. Er warnt davor, das Kreuz politisch zu instrumentalisieren. Es sei nicht die Aufgabe eines weltanschaulich neutralen Staates, über die Sichtbarkeit religiöser Symbole zu entscheiden. Denn wenn ein religiöses Symbol auf Geheiß der Politik und der Gerichte verschwinde, würden Religionslose den Religiösen bevorzugt werden, so der Theologe. Das Kreuz ist aus der Sicht eines Christen ein Symbol für die Solidarität mit den Leidenden und die Überwindung des Todes, erklärt Tück. Auch der Berliner Erzbischof Heiner Koch setzt sich für die Sichtbarkeit des Kreuzes ein. So ist das Kruzifix „von einem Elendszeichen“ zu einer „frohen Botschaft“ für Christen geworden. Das Kreuz sei ein Abdruck des menschlichen Leidens und der Gottesliebe, so Koch.