Papst Franziskus forderte in einem Schreiben, das sich vor allem an Priesteramtskandidaten richtet, dazu auf, ein besseres Verständnis für die Bedeutung der Kirchengeschichte und die Wirklichkeit zu entwickeln. Dabei verwies er zu Beginn des Schreibens auf die Notwendigkeit, in der Gemeinschaft die Sensibilität für die Geschichte zu fördern, die auch die „historische Dimension des Menschen selbst“ einschließt. Papst Franziskus betonte in diesem Zusammenhang, dass niemand wirklich wissen kann, wer er ist und was er sein will, wenn er nicht das Band pflegt, das ihn mit den Generationen vor ihm verbindet. Im selben Zug warnt er vor einer Manipulation durch Ideologien und erläutert, dass nicht nur Priesteramtskandidaten diesen Blick für die Historie benötigen, sondern jeder Einzelne.
Manipulation der Geschichte durch falsche Ideologien
In Hinblick auf die kirchliche Geschichte sei es nötig, die „engelhafte“ Vorstellung von der Kirche aufzugeben und sie auch in ihrer Art und Weise, mit all ihren „Makel und Falten“, anzunehmen. Man müsse die Kirche lieben, wie sie ist, erklärt der Pontifex. Es ist ein Aufruf an die Gemeinschaft der Gläubigen, die Kirche in ihrer Realität zu erkennen. Er lädt die Menschen dazu ein, eine Kirche zu lieben, „die aus ihren Fehlern und ihren Stürzen gelernt hat und weiter lernt“. Zudem moniert er die Manipulation der Kirchengeschichte durch Ideologien. Junge Menschen wüchsen dadurch unter einer falschen Realität auf und würden die Geschichte, die ihnen vorausgegangen ist, verachten und ignorieren.
Deshalb warnt Papst Franziskus vor den „perfekten Göttern“, also jenen, die die Geschichte teilweise unterdrücken möchten. Weiter stellte er die Gefahr der Medien und der sozialen Medien fest. Darin seien „wir immer dem irrationalen Impuls des Zorns oder der Emotion ausgesetzt“. Zudem fehle es an „Werkzeugen“, um die Realität zu erkennen und Quellen ohne „ideologischen Filter“ wahrnehmen zu können. In Anbetracht dieser Umstände lobte er die Arbeit der Historiker, die in ihrer wahrheitsgetreuen Betrachtung „eines der Gegenmittel gegen dieses tödliche Regime des Hasses, das auf Unwissenheit und Vorurteilen beruht“, sein könnten. Man dürfe sich der Vergangenheit nicht mit einer „schnellen, von ihren Konsequenzen losgelösten Interpretation“ nähern, denn die Wirklichkeit ist „niemals etwas Einfaches“. Die Realität lasse sich nicht auf „naive und gefährliche Vereinfachung“ reduzieren, betont Papst Franziskus.
Menschliche Schwächen und Ausbreitung des Evangeliums
Der Papst wies in seinem Schreiben auf die menschliche Schwäche hin. Die Schwäche derer, denen „das Evangelium anvertraut ist“. Weiter forderte er die Menschen dazu auf, sich dieser Schwächen bewusst zu werden. Man müsse sie „mit aller Kraft bekämpfen“, damit wir in unserer Schwäche der Verbreitung des Evangeliums nicht schaden können. Außerdem verdeutlichte er die Notwendigkeit, immer an „historische Tatsachen, die uns beschämen, Mensch zu sein“, zu denken. Denn ohne ein Gedächtnis, das „ganzheitlich und leuchtend ist“, kämen wir nie voran.
„Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben“ (Mt 6,14). Dieser Auszug aus dem Matthäusevangelium weist auf ein wesentliches Merkmal des Christseins hin, vergeben zu können. Dennoch warnt der Papst davor, dass „Vergeben nicht vergessen bedeutet“. Er ermutigte, ein bußfertiges Gedächtnis zu fördern, welches die Vergangenheit annimmt, um die Zukunft von den eigenen Unzufriedenheiten, Verwirrungen oder Projektionen zu befreien. Mit einem abschließenden Blick auf die Priesteramtskandidaten ruft er sie auf, dass Studium dazu zu nutzen, Fragen zu stellen und sich nicht von Banalitäten betäuben zu lassen.